Eine erfolgreiche Abteilung für klinische Pharmakologie sollte einerseits in eine gut etablierte medizinische Fakultät eingebunden sein und andererseits gilt eine gute Zusammenarbeit mit der führenden pharmazeutischen Industrie als eine wichtige Voraussetzung. Beide Anforderungen sind in Basel in idealer Weise erfüllt. Die medizinische Fakultät der ältesten Universität der Schweiz blickt auf eine lange Tradition zurück. Die zweite Voraussetzung, das Vorhandensein einer führenden pharmazeutischen Industrie, ist ebenfalls erfüllt.
Basel gilt als eines der weltweit führenden Zentren in der Arzneimittelherstelllung. Neben zahlreichen kleineren Firmen sind in dieser Stadt vor allem die Novartis, hervorgegangen aus den ebenfalls einheimischen Firmen Sandoz, Ciba und Geigy, und die nicht minder bekannte Firma Hoffmann-La Roche beheimatet. Die älteste chemische Fabrik in Basel wurde 1812 gegründet. Aber erst als 1856 der englische Chemiker Perkin den ersten Anilinfarbstoff hergestellt hatte, kam der grosse Aufschwung in Basel. Die Stadt war damals ein Zentrum der Seidenbandindustrie und diese war auf neue bessere Farbstoffe angewiesen. Bereits ab 1859 wurden hier erstmals die neuen Färbeverfahren angewandt. Als Nebenprodukte wurden dann später gegen die Jahrhundertwende Arzneimittel hergestellt und erreichten in der Folge ihre dominierende Rolle in der chemischen Industrie in Basel. Diese Entwicklungen fanden immer in enger Zusammenarbeit zwischen Industrie und der Universität statt.
Entwicklung der Abteilung seit den 1960er Jahren
Die klinische Pharmakologie als eine sehr junge Spezialdisziplin
begann sich erst in den 1960er Jahren zu etablieren. Dank dem
erwähnten idealen Umfeld in Basel wurde die Abteilung für Klinische
Pharamakologie an der medizinischen Universitätsklinik Basel (Prof. H.
Staub) schon 1963 – als erste Institution dieser Art in
Kontinentaleuropa – vom damaligen Oberarzt Dr. med. Lucius Dettli
gegründet, zunächst nur dotiert mit einem wissenschaftlichen
Mitarbeiter (Dr. med. P. Spring), einer Laborantin und einem Minilabor,
finanziert durch das Spital, Industrieaufträge und dem Schweizerischen
Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung. Die
Arbeitsthemen während dieser Zeit waren stark geprägt vom
Ausbildungscurriculum des Leiters, welches er in den USA und am
Pharmakologischen Institut der Universität Basel (Prof. K. Bucher und
Prof. F. Grün) absolviert hatte.
Zu den didaktischen Themen gehörten einerseits die rationale Urteilsbildung in der Pharmakotherapie (im Sinne von P. Martini), andererseits eine praktisch anwendbare Dosierungslehre basierend auf pharmakokinetischen Grundlagen nach F. H. Dost (z.B. Kumulationslehre).
In der Forschung rückte bald nach intensiver Beschäftigung mit Sulfonamiden (in Zusammenarbeit mit dem Kinetiker E. Krüger-Thiemer) und Diuretika die Frage der Dosierungsanpassung bei Niereninsuffizienz in den Vordergrund. Es wurde eine einfache lineare Beziehung (Modell I) zwischen glomerulärer Filtration GFR und der extrarenal eliminierten Fraktion Q der resorbierten Dosis postuliert, experimentell verifiziert und in einer für den Praktiker verständlichen Darstellung publiziert, u.a. in Form eines einfachen Nomogramms. Die lineare Beziehung zwischen Q und GFR bedeutet ausserdem, dass die für die Dosierung beim Nierenkranken benötigten Q-Werte auch aus den beim Nierennormalen erhobenen Wert Q0 ermittelt werden können, also aus Daten, welche bei der Registrierung eines Medikamentes ohnehin vorgelegt werden müssen. In der Folge standen schon nach relativ kurzer Zeit die Q0-Werte von hunderten von Medikamenten zur Verfügung und Modell I fand weltweit bei den Klinikern Akzeptanz. Ein daraus entwickeltes verfeinertes Modell II, das auch die Forderungen der Intact Nephron Hypothesis und des glomerulären Gleichgewichts nach Bricker berücksichtigte, fand dagegen – wohl wegen der etwas komplexen mathematischen Formulierung – keine Gegenliebe bei den Praktikern und wurde deshalb lediglich als eine eingehende Modellkritik in einer Dissertation formuliert.
Die Lehrtätigkeit von Prof. Dettli führten ihn an zahlreiche renommierte Universitäten im Ausland: Royal Postgraduate Medical School in London (1971-1974), Chelsea Institute of Technology in London (1974), American College of Physicians, Philadelphia (1974) und The Hymans Institute of Pharmacology, Gent (1975). Seine Arbeiten sind in gegen 300 Orginalpublikationen erschienen und er erhielt zahlreiche Ehrungen und Preise, darunter 1975 den Paul-Martini Preis, Boerhave Lecturer, Leyden (1978), “Overseas Lecturer 1984” der Japanischen Society for Clinical Pharmacology, Honorary Member of the Ameircan Academy of Pharmaceutical Sciences (1984). Zudem hielt er 1988 die Paul Martini Festvorlesung in Bonn.
Nach der Beförderung Dettlis zum Ordinarius der Medizinischen Fakultät
Basel und seiner Wahl zum Chefarzt der Medizinische Universitätsklinik
Basel, übernahm 1975 der Kardiologe PD Dr. med. Ferenc Follath die Leitung
der Abteilung für Klinische Pharmakologie. Ference Follath erhielt
seine medizinische Ausbildung am Universitätsspital Basel. Die
gründliche Ausbildung in klinischer Pharmakologie erwarb er an der
Royal Postgraduate Medical School in London. Neben seiner Tätigkeit als
Leiter der Klinischen Pharmakologie wurde er 1977 zum stellvertretender
Chefarzt der Medizin B ernannt und erhielt 1981 ein Extraordinariat für
innere Medizin.
Gleichzeitig (1975) stiess als neuer Leiter des
klinisch-pharmakologischen Labors Dr. phil. Markus Wenk zum Team,
welcher sukzessive das Dienstleistungsangebot im Therapeutic Drug
Monitoring (TDM) durch die Einführung neuer analytischer Methoden
erweiterte. Wurden bisher vor allem Antibiotika mit Bioassays
quantifiziert, so hielten nun chromatographische Methoden (HPLC und GC)
und immunologische Methoden (Radioimmunoassays, Enzymimmunoassays,
Polarisationsimmunoassays, ELISAs) Einzug ins Labor. Neu wurden jetzt
im Rahmen des TDM auch die Aminoglykoside (Gentamicin, Tobramycin,
Netilmicin, Amikacin), Vancomycin, Phenytoin, Phenobarbital,
Theophyllin, Methotrexat, Antiarrhythmika (Lidocain, Flecainide,
Chinidin, Procainamid, Disopyramid, Propaphenon, Verapamil) und ab 1980
auch Cyclosporin ins Dienstleistungsangebot aufgenommen. Sehr bald
jedoch übertraf die täglich eingehende Anzahl an Patientenproben die
Kapazität dieses Labors, so dass grosse Teile der Routineanalytik nach
deren Evaluation und Einführung an das chemische Zentrallabaratorium
transferiert wurden. Als wichtiges Prinzip dieses TDM Services wurde
jedoch die schriftliche Beurteilung aller Resultate als essentieller
Bestandteil eines sinnvollen TDM’s beibehalten.
Die Einführung dieser neuen analytischen Methoden erlaubte nun nach
1975 auch die Verstärkung der klinisch pharmakologischen Forschung.
Dank dem guten Ruf der Abteilung wählten bekannte klinisch
pharmakolgische Forscher wir Leslie Bennet und Lewis Sheiner von der
University of California, San Francisco, diese Abteilung als Ort für
ein Sabbatical. Der enge Kontakt mit diesen Kollegen wirkte sich sehr
fruchtbar auf die Forschungsprojekte während dieser Zeit aus. In der
Tradition von Lucius Dettli wurde auch weiterhin der Einfluss der
Nierenfunktion auf die Pharmakokinetik von Medikamenten untersucht.
Dank den spezifischeren und empfindlicheren Analysenmethoden und in
Verbindung mit der sich nun langsam etablierenden Möglichkeit des
Einsatzes von Computern zur Berechnung komplizierterer
pharmakokinetischer Modelle, konnte auch Mehrkompartimentkinetik von
Medikamenten untersucht werden. Entsprechend seiner Ausbildung als
Kardiologe wurden unter Ferenc Follath auch zahlreichen klinischen
Studien mit Antiarrhythmica durchgeführt, immer mit dem Ziel, Kriterien
zu erarbeiten, welche die individuelle Dosierung dieser Medikamente
beim Patienten optimierten. Neben der Kardiologie war die Infektiologie
ein ebenso wichtiges Spezialgebiet von Ferenc Follath was sich in
Forschungsprojekten mit Antibiotika (Aminoglykoside, Quinolone,
Ureidopenicilline und Fluorochinolone) niederschlug. Daneben hatte die
Abteilung, dank einer Zusammenarbeit mit der damaligen Firma Sandoz AG,
die Gelegenheit, bei der klinischen Einführung von Cyclosporin von
Anfang an mit dabei zu sein und die ersten pharmakokinetischen Studien
bei Patienten durchzuführen.
1980 konnte die Abteilung in die neuerstellten Laboratorien im Zentrum
für Lehre und Forschung beziehen. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete der
Forschungsbereich der Abteilung eng mit dem 1978 gegründeten
Departement Forschung des Universitätsspitals zusammen und konnte auch
von der modernen Infrastruktur dieses Departements profitieren. Im Jahr
1978 stiess nach einem Aufenthalt bei den Professoren K. Melmon, S.
Riegelmann und L. Sheiner in San Fransico der Oberarzt Dr. med. Samuel
Vozeh zur Abteilung und blieb an dieser bis er 1988 als
Abteilungsdirektor an die Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel
der Schweiz (IKS, heute Swissmedic) wechselte, kurz nachdem er zuvor
noch einen Lehrauftrag an der Universität Basel erhalten hatte. Samuel
Vozeh war einer der ersten im deutschsprachigen Raum, welcher sich mit
populations-pharmakokinetischen Studien beschäftigte und auf diesem
Gebiete wegweisende Arbeiten publizierte. Von 1983 bis 1985 besuchte
Dr. med. Toshihiko Uematsu (heute Professor für Pharmakologie an der
Hamamatsu Universität in Japan) als postdoctoral Fellow die Abteilung
und etablierte das Langendorf Modell für Untersuchungen am isolierten,
schlagenden Herzen. In der Folge entstanden mit diesem Modell mehrere
Dissertationen und Publikationen. In der Jahren 1978 bis 1990
arbeitete der Chemiker Dr. Huy-Riem Ha (heute Universitätsspital
Zürich) als wissenschaftlicher Assistent im Labor der Abteilung und war
für die Entwicklung zahlreicher quantitativer Analysenmethoden zur
Bestimmung von Antiarrhythimka im Serum verantwortlich
In den 80er Jahren wurde ein zunehmender Bedarf an objektiven arzneimittelspezifischen Informationen festgestellt. Insbesondere eine erhöhte Sensibilität gegenüber unerwarteter Arzneimittelwirkungen infolge inadäquater Dosierungen und Interaktionen mit andern Medikamenten war einer der Gründe für dieses Informationsbedürfnis. Deshalb wurde 1986 als neue Dienstleistung mit dem Aufbau eines Medikamenteninformationsdienstes für spitalinterne und externe Anfragen begonnen und bis heute erfolgreich immer weiter ausgebaut. In diese Zeit fällt auch die Erkenntnis, dass zur Bearbeitung patientenspezifischer Arzneimittelprobleme vermehrt klinisch interessierte Pharmazeuten eingebunden werden sollten.
Im Jahr 1990 erhielt Prof. F. Follath die Berufung als Direktor der Medizinischen Klinik am Universitätsspital Zürich. Danach folgten für die Klinische Pharmakologie in Basel etwas turbulentere Zeiten, erwies es sich doch als sehr schwierig, einen geeigneten klinischen Pharmakologen als Nachfolger für Ferenc Follath zu finden. Anfangs 1991 übernahm der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Lüscher bis Ende 1993 die Leitung der Abteilung. Sein Spezialgebiet war die Gefässphysiologie und über die Erforschung der endothelabhängigen Vasodilatatoren und Vasokonstriktoren wie Sickstoffoxid (NO) und Endothelin. Auf diesem Gebiet hat er zusammen mit seinem wissenschaftlichen Assistenten Dr. med. Georg Noll (heute Professor für Kardiologie am Universitätsspital Zürich) und seiner Forschungsgruppe bahnbrechende Arbeiten veröffentlicht. Die eigentlichen Belange der klinischen Pharmakologie übernahm während dieser Zeit der Oberarzt und stellvertretende Leiter PD Dr. med. Walter E. Haefeli. Walter Haefeli arbeitete schon einmal (1987, noch unter Ferenc Follath) als Spezialassistent in der Abteilung für Klinische Pharmakologie. Seine berufliche Weiterbildung erhielt Walter Haefeli unter anderem als postdoctoral Fellow an der Stanford University bei Prof. Terrence Blaschke.
Nach dem Weggang von Thomas Lüscher ans Inselspital Bern und anschliessend als Leiter der Kardiologie am Universitätsspital Zürich übernahm Walter Haefeli interimistisch die Abteilung. Unter ihm wurden die gefässphysiologischen Projekte weitergeführt, allerdings mit einer etwas anderen Gewichtung, wurden doch jetzt auch vermehrt in vivo Untersuchungen vasoaktiver Peptide mittels Handvenen- Compliance-Technik, Venen-Okklusions-Plethysmography und Laser-Doppler-Flowmetry in Zusammenarbeit mit Dr. med. Lilly Linder durchgeführt. Daneben wurden unter Markus Wenk die ersten Forschungsprojekte auf dem Gebiete der Pharmakogenetik aufgenommen. Wieder verstärkt wurde in dieser Zeit auch die Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten und Anstrengungen wurden unternommen, die bisher vernachlässigte klinische Pharmazie zu etablieren und die Pharmazeuten auf diesem Gebiete weiter auszubilden. Auch der Arzneimittel-Informationsdienst wurde unter Dr. pharm. Meret Martin weiter ausgebaut. Anfangs 1998 stiess die Forschungsgruppe von Prof. Jürgen Drewe zur Abteilung, was Dank seinem sehr aktuellen Forschungsgebiet über die Arzneimitteltransporter zu einer wertvollen Ergänzung der Forschung der Abteilung führte.
Im März 1999 verliess nun auch Walter E. Haefeli Basel, dank einer Berufung zum Ordinarius und Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Universitätsklinik in Heidelberg und bis Ende des Jahres führte Jürgen Drewe, wiederum interimistisch, die Abteilung weiter. Endlich ab Januar 2000 wurde Prof. Dr. pharm. Dr. med. Stephan Krähenbühl aus Bern zum neuen ordentlichen Leiter der nun unter einem erweiterten Namen laufenden Abteilung für Klinische Pharmakologie und Toxikologie gewählt. Stephan Krähenbühl studierte zuerst in Bern Pharmazie und nahm nach seiner Dissertation das Studium in Medizin auf, welches er 1985 abschloss. Nach der weiteren Ausbildung in der inneren Medizin und klinischen Pharmakologie ging er 1989 für zwei Jahre an die Case Western Reserve University, Cleveland, Ohio. Anschliessend arbeitete er bis zu seiner Wahl in Basel als Oberarzt an den Abteilungen für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Zürich (1993-1997) und Universität Bern (1997-1999). Daneben liess er sich auch noch in klinischer Chemie ausbilden. Seine Spezialgebiete umfassen den Arzneimittelmetabolismus in der Leber, hepatische Toxikologie von Arzneistoffen, sowie Carnitinmetabolismus und Carnitintransport.
Gegenwärtige Entwicklungen
Mit
der Wahl von Prof. Krähenbühl fand eine Zeit der Unsicherheit ein Ende
und die Reorganisation und Optimierung der Abteilungsstruktur konnte
nun forciert vorangetrieben werden (siehe Abb. 1). Die Abteilung wurde
noch enger mit der Departement für Pharmazie der Universität Basel
vernetzt, ein Prozess, der immer noch im Gange ist. Die Belange der
klinisch orientierten Pharmazeuten wurde nun neu in einem Institut für
Klinische Pharmazie zusammengefasst mit den Untereinheiten
Pharmaceutical Care (Dr. pharm. Kurt Hersberger), Pharmaco-Epidemiology
(PD Dr. pharm. Christoph Meier) und neu nun auch Klinische Toxikologie.
Dieses Institut gehört gleichzeitig dem Departement Pharmazie der
Universität an. Daneben sind als die beiden andern wichtigen Einheiten
die Dienstleistungen und Consulting wie Konsiliardienste, Therapeutic
Drug Monitoring und Medikamenteninformationsdienst (Dr. pharm. Raymond
Schlienger) und die eigentliche Forschung mit zwei Forschungsgruppen
weiter verstärkt worden. Die Forschungsgruppe unter Jürgen Drewe
befasst sich schwergewichtig mit molekularbiologischen und genetischen
Fragen auf dem Gebiete der Arzneimitteltransporter, während sich die
Gruppe von Stephan Krähenbühl mit Problemen rund um
Arzneimittelinteraktionen, Toxikologie, Energiestoffwechsel und
Pharmakogenetik beschäftigt. In diesen beiden Forschungsgruppen alleine
arbeiten zurzeit etwa 10 Doktoranden. Weitere Forschungsprojekte werden
auch in den andern oben erwähnten Bereichen zusammen mit Doktoranden
durchgeführt. Nach dieser erfolgreichen Expansion der Abteilung dürfte
auch aus rein räumlichen Gründen langsam eine Grenze erreicht sein und
in einer Phase der Konsolidierung werden in nächster Zukunft zahlreiche
grössere Forschungsprojekte, unterstützt vom Schweizerischen
Nationalfonds und der Industrie, umgesetzt.