Geschichte des Extraordinariates Kinderchirurgie

Drei Schwestern legten mit einer großzügigen Stiftung den Grundstein für die Entwicklung der Basler Kinderkliniken. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts fächerte sich das medizinische Angebot immer weiter aus, was auch in der räumlichen Aufteilung der Abteilungen sichtbar wurde. Seit 1999 arbeiten drei Kliniken unter dem gemeinsamen Namen Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB). Für 2010 ist der Umzug in das neue gemeinsam genutzte Gebäude geplant.

Im Jahr 1846 wurde von Anna Elisabeth Burckhardt-Vischer im Nebenhaus ihres Wohnhauses in der St. Johanns-Vorstadt in Basel ein kleines Spital für kranke Kinder eingerichtet. Sie stellte das Gebäude zur unentgeltlichen Benutzung zur Verfügung, übernahm einen Teil der Verwaltungskosten und leitete das Haus. Die ärztliche Leitung lag bei Prof. Carl Streckeisen-Ehinger. 1852 wurde von den 3 Schwestern Frau Hiss-Vischer, Frau Burckhardt-Vischer und Frau Birmann-Vischer die Stiftung «Kinderspital in Basel» errichtet. Nach dem Tode der drei Schwestern wurde aus dem Stiftungsvermögen ein geeignetes Grundstück am Rhein gekauft und ein neues Kinderspital errichtet. Die Einweihung war am 2. Januar 1862. Das Kinderspital in der Römergasse wurde sukzessive ausgebaut. Im Herbst 1928 wurde nach Beschluss des grossen Rates der Stiftung ein Staatsbetrag von CHF 1,3 Mio. zum Ausbau des Kinderspitals zur Verfügung gestellt. Das Kinderspital an der Römergasse steht heute noch in der Form, in welcher es 1930–32 umgebaut worden ist, in Betrieb in seiner unvergleichlichen Lage am Rheinufer.

Carl Streckeisen-Ehinger (1811–1868) stammte, wie Anna Elisabeth Burckhardt-Vischer ebenfalls aus dem «Blauen Hause» in Basel. Er promovierte 1836 und wurde an der Universität Basel Dozent, Lehrer am Missionshaus und übernahm die Stelle eines Waisenhausarztes und stellvertretenden Professors für Chirurgie. 1852 wurde er ausserordentlicher Professor. Prof. Streckeisen-Ehinger war ein Mann mit vielen medizinischen Interessensgebieten: er war Ophthalmologe, Otorhinolaryngologe, Chirurg, Orthopäde und Kinderarzt. Seine Engagement zur Errichtung eines Kinderspitals, war vom Bedürfnis getragen, einerseits Infektionskrankheiten zu bekämpfen und sich andererseits der Behandlungen von Missbildungen und orthopädischen Fehlbildungen zu widmen.

Als Prof. Streckeisen-Ehinger 1868 starb, wurde in gemeinsamer Wahl durch die Fakultät und die Kommission des Kinderspitals Dr. Eduard Hagenbach-Burckhardt als Leiter des Kinderspitals und Dozent für Kinderheilkunde eingesetzt. Zur Zeit von Prof. Hagenbach betrug das Kostgeld für im Kinderspital betreute Kinder 50  Rp. täglich. Eltern die in besseren ökonomischen Verhältnissen lebten, bezahlten 80 Rp. bis CHF 12.--, für Arme wurde das Kostgeld hingegen erlassen. Eine grosse Wohltat für das Kinderspital war die Stiftung von Freibetten. Prof. Hagenbach verfügte zuerst über zwei Freibetten. Vor 1890 wurden provisorisch Operationen im Aufnahmezimmer vorgenommen. 1890 wurde dann auf der Ostseite des Kinderspitals ein neuer Saal mit zwei zusätzlichen Zimmern gebaut, dabei wurde auch ein Operationsraum eingerichtet.

Prof. Hagenbachs Nachfolger war Prof. E. Wieland, der 1912 die Chefarztstelle am Kinderspital Basel antrat. 1921 wurde auf Anregung von Prof. Wieland Dr. Ernst Hagenbach, der Sohn des früheren Kinderspitalchefs als Chefarzt der chirurgischen Abteilung eingesetzt. Er wurde in Basel geboren und hatte im Jahr 1900 das Staatsexamen an der Medizinischen Universität in Basel absolviert. Anschliessend machte er die spezielle Fachausbildung in Kinderchirurgie und erhielt 1910 bereits die Venia legendi. 1925 erhielt er das Extraordinariat und 1927 einen Lehrauftrag für Orthopädie. Die wissenschaftlichen Publikationen Hagenbachs beschäftigten sich jedoch vor allem mit chirurgischen Problemen, in den letzten Jahren fast ausschliesslich mit Problemen der Kinderchirurgie.

Unter seinem Nachfolger, Chefarzt R. Nicole, hat sich die Kinderchirurgie in Basel rasch weiterentwickelt und auch herzchirurgische Eingriffe, Oesophagusoperationen und Eingriffe an Gehirn und Hirnhäuten wurden durchgeführt. In diesem Zeitraum nahmen auch die kinderurologischen Eingriffe deutlich zu. PD Dr. R. Nicole wurde 1951 zum ausserordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Am 1.5.1973 wurde Herr PD Dr. Bruno Herzog zum Chefarzt ad interim ernannt und per 1.9.1973 zum ordentlichen Professor für Kinderchirurgie am Kinderspital Basel berufen. In den folgenden 25 Jahren wurde unter der Leitung von Prof. Dr.  Bruno Herzog die kinderchirurgische Spezialisierung durch verstärkte Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der pädiatrischen Andrologie, pädiatrischen Traumatologie, pädiatrischen Neurochirurgie, pädiatrischen Urologie und pädiatrischen Handchirurgie gefördert. Eine Tageschirurgie wurde neu eröffnet. Somit konnte die Aufenthaltsdauer der Kinder an der chirurgischen Abteilung von durchschnittlich 9 Tagen auf 3 Tage reduziert werden.

1971 wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Jürg Lütschg am Kantonsspital Bruderholz eine Kinderabteilung eingerichtet. 1974 folgte die Errichtung einer kinderchirurgischen Abteilung unter der Leitenden Ärztin Dr. Madeleine Kummer. Sie führte die Abteilung bis 1996. Von 1997–1998 führte Dr. Ruedi Leuthardt die kinderchirurgische Abteilung am Kantonsspital Bruderholz.

Gründung des Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Am 1.1.1999 erfolgte die Fusion des Kinderspitals Basel mit der kinderchirurgischen und pädiatrischen Abteilung des Kantonsspitals Bruderholz zum Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB). Als neuer Ordinarius für Kinderchirurgie wurde Prof. Dr. Dietrich von Schweinitz am 1.1.1999 ans UKBB berufen. Er leitete die kinderchirurgische Abteilung bis zum 31.5.2003. Neben der allgemeinen Kinderchirurgie beschäftigte er sich vor allem mit der Verbesserung onko-chirurgischer Eingriffe im Kindesalter. Nach der Wegberufung von Prof. Dr. von Schweinitz übernahm Dr. Peter Jenny die Leitung der kinderchirurgischen Abteilung ad interim per 1.6.2003. Am 1.7.2005 wurde Prof. Dr. Johannes Mayr als Extraordinarius für Kinderchirurgie ans UKBB berufen.

Das Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) versorgt an seinen 3 Standorten vor allem Kinder der Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, aber auch aus der ganzen Schweiz, sowie dem Südbadischen Raum. Am Standort UKBB Bruderholz befinden sich die Kinderchirurgische Station, eine interdisziplinäre Notfallstation, die Chirurgische Poliklinik und eine interdisziplinäre Kinderintensiv- und Neugeborenenstation. Am Standort UKBB Basel-Stadt wird die Tagesklinik betrieben und eine weitere Kinderchirurgische Notfall- und Poliklinik. Im Bereich der Geburtshilflich-Gynäkologischen Abteilung am Universitätsspital Basel befindet sich die Neu- und Frühgeborenenstation des UKBB.

Das Tätigkeitsfeld der Kinderchirurgischen Abteilung am Universitäts-Kinderspital beider Basel umfasst neben der Neugeborenenchirurgie die Viszeral-, Lungenchirurgie, Urologie, Traumatologie und kleine Neurochirurgie. Die Kinderchirurgische Abteilung betreut weiters von Konsiliar- und Fachärzten anderer Disziplinen operierte Kinder, insbesondere nach HNO-Eingriffen, plastisch-chirurgischen, kieferchirurgischen, neurochirurgischen und zahnärztlichen Operationen.

Im Jahr 2010 sollen die 3 UKBB-Standorte in Basel an der Schanzenstrasse alle wieder unter einem Dach vereint werden. Der Neubau ist schon kräftig am Wachsen, bis Spätsommer 2010 soll das neue UKBB bezugsbereit sein.

 

Kinderspital

KinderinderspitalDas Kinderspital in der Römergasse

AufnahmezimmerVor dem Jahr 1890 wurden provisorisch Operationen im Aufnahmezimmer vorgenommen.

Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)

Im Jahr 2010 sollen die 3 UKBB-Standorte in Basel an der Schanzenstrasse alle wieder unter einem Dach vereint werden.Baustelle an der Schanzenstrasse

 

Themen


Materialien


Quellen

  • LinkErzählte Erfahrung. Alumni der Medizinischen Fakultät der Universität Basel, (Red.: Michael J. Mihatsch, René Fröscher), Basel 2005.
  • Ausgewählte kinderchirurgische Publikationen aus dem Basler Kinderspital vor 1930:
  • Hagenbach-E., E.: Zur Kasuistik der angeborenen Missbildungen von Finger und Zehe. Jb. Kinderheilkunde, 14:234 (1879).
  • Beck, K: Beobachtung über die Knochenbrüche bei Kindern aus dem Kinderspital zu Basel. Jb. Kinderheilk. 25:31 (1886).
  • Fahm, J.: Über kongenitale Missbildungen. Festschrift E. Hagenbach-Burckhardt, p. 19. Carl Sallmann, Basel 1897.
  • Gonser, R.: Über acute Osteomyelitis im Kindesalter mit besonderer Berücksichtigung der Endresultate. Jb. Kinderheilk. 56:49 (1902).
  • Schneider, K.: Thiosinamininjektionen bei Narbenstriktur des Ösophagus. Corr.bl. Schweiz. Ärzte 35:356 (1905).
  • Alder, M.: Ein Fall von angeborener, funktioneller (?) Pylorushyperplasie, kombiniert mit angeborener Vergrösserung des Magens und Hyperplasie seiner Wandung. Jb. Kinderheilk. 68:197 Ergänzungsheft. Diss. 1908.
  • Hagenbach-M., E.: Deux cas de fractures supracondyliennes de l'humérus compliquées de plaies. Rev. Orthop. 19:97 (1908).
  • Wieland, E.: Die Pylorusstenose im Säuglingsalter (angeb. Pylorospasmus). Corr.bl. Schweiz. Ärzte 40:865 (1910).
  • Wieland, E.: Über Pyelitis infantum. Corr.bl. Schweiz. Ärzte 48:33 (1918).
  • Stockmeyer, K. M.: Zur Bewertung der chirurgischen Behandlung der Spina bifida. Jb. Kinderheilk. Beiheft 7 (1925).
  • Hagenbach-M., E.: Die Operabilität der Säuglinge. Arch. kli. Chir. 145:635 (1927).
  • Seifert, N.: Die Pylorusstenose der Säuglinge und ihre Behandlung. Mschr. Kinderheilk. 37:45 (1927).
  • Stocker, S.: Über Kieferbildung nach Operation der angeborenen Gaumenspalte. Schweiz. Mschr. Zahnheilk. 37:12 (1927).

Literatur

  • Friedrich Miescher-His, Medizinische Fakultät, Die Medizinische Facultät in Basel und ihr Aufschwung unter F. Plater und C. Bauhin. Zur vierten Säcularfeier der Universität Basel, Basel 1860.
  • Albrecht Burckhardt, Geschichte der Medizinischen Fakultät zu Basel 1460-1900, Basel 1917.
  • Edgar Bonjour, Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460-196, Basel 1960.
  • Lehre und Forschung an der Universität Basel, dargestellt von Dozenten der Universität Basel, Basel 1960.
  • Professoren der Universität Basel aus fünf Jahrhunderten. Bildnisse und Würdigungen, hrsg. von Andreas Stähelin, Basel 1960.