Hausarztmedizin an der Universität Basel

Aus einem Mangel an Hausärzten entwickelte sich in Basel die Idee, die Allgemeinmedizinische Ausbildung stärker zu fördern. Nach einzelnen Initiativen und den Vorarbeiten verschiedener Kommissionen wurde 1994 das Forum für Interdisziplinäre Hausarztmedizin gegründet.

Der Anfangs der 1970er Jahre herrschende Hausaztmangel gab den Anstoss jährlich eine zweistündige Motivationsvorlesung über Hausarztmedizin in Basel zu halten und damit die Studierenden mit dem Berufsziel «Allgemeinpraktiker» anzusprechen. Die Vorlesungen hielt Dr. Walter Irniger, der seit 1977 auch die Arbeitsgruppe Ausbildung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM) leitete. Ziel dieser Arbeitsgruppe war es mit den Medizinischen Fakultäten der Universitäten in Kontakt zu treten und Dozentengruppen aufzubauen und auszubilden.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten in Basel wurden im Wintersemester 1981/82 erstmals offizielle Veranstaltungen von Prof. Dubach angeboten: 4x1 Doppelstunde «Allgemeinmedizin» am Freitag im Rahmen der Vorlesung der MUP im 6. JK. 1983 formuliert Ruedi Meyer in "Hochschule und Allgemeinmedizin" seine Gedanken zur adäquaten Institutionalisierung der Allgemeinmedizin an der Hochschule und forderte ein eigenes Institut für Allgemeinmedizin an der Universität Basel.

Ein Jahr später, 1984, wird die erste offizielle fakultäre Kommission für Hausarztmedizin ins Leben gerufen. Die erste Sitzung dieser Kommission am 29.11.1984 kann als Geburtsstunde der Hausarztmedizin an der Medizinischen Fakultät Basel angesehen werden. Die Mitglieder dieser Kommission waren vier Professoren der Medizinischen Fakultät und sechs Hausärzte je drei aus Basel-Stadt und drei aus Baselland. Franz Schnyder als Vertreter von Basel-Stadt und Ruedi Isler als Vertreter von Baselland haben in den folgenden Jahren den Unterricht in Hausarztmedizin aufgebaut, organisiert, die Lehrärzte rekrutiert, das erste Video gedreht etc.

Als erste Aufgabe dieser neuen fakultären Kommission wurde im April 1985 der erste 1½ -tägige Blockkurs «Hausarztmedizin» realisiert. Im gleichen Jahr führte die Hausarztmedizin auch den Gruppenunterricht an der Medizinischen Fakultät ein. Ab Wintersemester 1985/86 beteiligten sich 30 Lehrpraxen am Gruppenunterricht Hausarztmedizin und unterrichteten die Studierenden in 5er Gruppen je einen halben Tag drei Mal in einer Stadt- und drei Mal in einer Landpraxis. 1985 wurde dann unter Dekan Prof. R. Battegay der erste 2-stündige Lehrauftrag für Hausarztmedizin erteilt.

In der Folge entwickelte sich die Hausarztmedizin sehr erfreulich, bis Anfang 1993 die Medizinische Fakultät mitteilte, dass sie sich aufgrund der regierungsrätlichen Sparmassnahmen gezwungen sehe, das Lektorat in Hausarztmedizin um die Hälfte zu kürzen. Dagegen wehrten sich die Hausärzte, akzeptierten die Kürzung nicht und wagten den Schritt nach vorne. Sie überzeugten die Mitglieder der fakultären Kommission,  die Hausarztmedizin zu stärken, auszubauen und in der Fakultät besser zu verankern. Als Resultat dieser Verhandlungen wurde das Projekt «Institut oder Seminar für Hausarztmedizin» geschrieben und lanciert.

An der Sitzung vom 30. November 1994 verabschiedete die Gemischte Fakultäre Kommission für Hausarztmedizin einstimmig das Projekt «Institut für Hausarztmedizin» und das Forum für Interdisziplinäre Hausarztmedizin (FIHAM) wurde gegründet.

Das FIHAM übernimmt zur Zeit für alle Lehrveranstaltungen der Hausarztmedizin die Verantwortung, das Festlegen der Lehr-/Lerninhalte, die Konzeptarbeit, Koordination und Evaluation sowie das Teachers' Teaching und den Kontakt zu den Fakultäten im In- und Ausland. Das Lehrangebot in Hausarztmedizin verteilt sich auf die 1. bis 6. Jahreskurse. Dieses grosse Lehrangebot kann nur wahrgenommen werden, weil sich viele Hausärzte der ganzen Region Basel am Unterricht beteiligen und engagieren, vor allem im Einzeltutoriat.

Die Lehre orientiert sich am neuen schweizerischen Lehrzielkatalog, in dem das «General Practice and Outpatient Management» definiert ist und an internationalen Standards. Diese von der Europäischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin WONCA EUROPE im Jahre 2002 publizierte Erklärung definiert einerseits die Disziplin der Hausarztmedizin und ihre Aufgaben und enthält andererseits eine Darstellung der vom Arzt für Allgemeinmedizin geforderten Kernkompetenzen. Sie umreisst die wesentlichen Elemente der akademischen Disziplin und beinhaltet eine verbindliche Darstellung der Leistungen, die Ärzte für Allgemeinmedizin in Europa zur Sicherstellung einer höchsten Qualitätsanforderungen entsprechenden und gleichzeitig kostenwirksamen Patientenbetreuung erbringen sollten.

In diesem Dokument wird die Hausarztmedizin definiert als: «Die Hausarztmedizin ist eine akademische und wissenschaftliche Disziplin mit eigenen Lehrinhalten, eigenen Forschungsinhalten, eigener Evidenz und eigenständiger klinischer Tätigkeit. Als klinisches Spezialgebiet ist sie auf die Primärversorgung ausgerichtet.» Daraus lassen sich Anforderungskataloge für Ausbildung, Forschung und Qualitätssicherung ableiten, die eine Weiterentwicklung der Hausarztmedizin zur Erfüllung der gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung im 21. Jahrhundert gewährleisten.

 

 

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Materialien


Quellen

  • Erzählte Erfahrung. Alumni der Medizinischen Fakultät der Universität Basel, (Red.: Michael J. Mihatsch, René Fröscher), Basel 2005.

Literatur

  • Friedrich Miescher-His, Medizinische Fakultät, Die Medizinische Facultät in Basel und ihr Aufschwung unter F. Plater und C. Bauhin. Zur vierten Säcularfeier der Universität Basel, Basel 1860.
  • Albrecht Burckhardt, Geschichte der Medizinischen Fakultät zu Basel 1460-1900, Basel 1917.
  • Edgar Bonjour, Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460-196, Basel 1960.
  • Lehre und Forschung an der Universität Basel, dargestellt von Dozenten der Universität Basel, Basel 1960.
  • Professoren der Universität Basel aus fünf Jahrhunderten. Bildnisse und Würdigungen, hrsg. von Andreas Stähelin, Basel 1960.