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Bildungsreserve im Wirtschaftsboom: 1950er bis 1970erIn den Boomjahren nach dem Zweiten Weltkrieg
diagnostizierte die Schweiz ein massives Ausbildungsdefizit. Die Frauen
rückten als «Reserve» in den bildungspolitischen Diskurs.
Wärhend der Hochkunjunktur in den 1950er und 1960er Jahre war Arbeit eine knappe Ressource. Die Nachfrage des Arbeitsmarkts nach AkademikerInnen lag weit über der Anzahl der StudienabgängerInnen. Während in den europäischen Reverenzstaaten schon ab Anfang der 1950er Jahre der akademische Nachwuchs bedeutenden Zuwachs erlebte, stagnierten die Studierendenzahlen in der Schweiz vorerst. Stimmen wurden laut, die von «bedenklichen Versäumnissen» in der Bildungspolitik sprachen und vor einer drohenden «Unterentwicklung» warnten. Wirtschaftsvertreter appellierten, den Nachwuchs zu fördern.
Der Bund setzte Kommissionen ein, um die ‹Anatomie des Mangels› zu
erruieren. Massnahmen wurden ergriffen, um Studienwillige zu motivieren
(Stipendienartikel Bundesverfassung 1963) und die universitären
Ausbildungskapazitäten zu steigern (nationales
Hochschulförderungsgesetz 1968). Die Entwicklung der Studierendenzahlen
kam den bildungspolitischen Wünschen bald schon entgegen. Ab Ende der
1950er nahmen die Studenten, mit leichter Verzögerung auch die
Studentinnen, rasant zu. Die Entwicklung in Richtung der «Massenuniversität»
war eröffnet. Nebst den Förderungsmassnahmen wirkte dabei der wachsende
Wohlstand begünstigend. Die relativ hohen Kosten einer universitären
Ausbildung konnten zunehmend auch von materiell benachteiligten Kreisen
getragen werden.
Diese bildungspolitische Mobilisierung der weiblichen Arbeitskraft
geriet mit den herrschenden Normen in Konflikt. Insbesondere die
Berufstätigkeit von verheirateten Frauen mit Kindern kollidierte mit
den Normvorstellungen, die der Frau als Gattin und Mutter einen festen
Platz ‹im Haus› zuwiesen. Verbände, Wissenschaft und Parteien
debattierten heftig über die Auswirkungen der «Mütterarbeit» auf die
Familie. Mit der im Laufe der 1960er Jahre aufkommenden Teilzeitarbeit
weichte die Ausgrenzung der Mütter vom Arbeitsmarkt teilweise auf: Als
«Zuverdienerin» und «Wiedereinsteigerin» war ihnen zunehmend gesattet
einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Der praktische Umstand, dass diese
Arbeitsmodelle kompatibel waren mit der Erfüllung der häuslichen
‹Pflichten›, entschärfte den Konflikt zwischen Arbeitskräftedefizit und
Geschlechternorm. Als «Konjunkturpuffer» war die den Frauen auf dem Arbeitsmarkt zugewiesene Position jedoch prekär. Sie waren abhängig von einer günstigen Wirtschaftslage. Die Forderung der Bildungspolitik nach mehr studierenden Frauen wurde primär von situativen Erwägungen getragen und orientierte sich nicht so sehr am Gleichheitsprinzip. |
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