Betreuungsverhältnisse seit 1853: Lernende und Lehrende

Auf eine Lehrkraft entfielen in Basel relativ wenige Studierende. Nach 1960 entwickelten sich die Betreuungsverhältnisse der einzelnen Fakultäten stark auseinander. Seit den 1990er Jahren liegt Basel leicht hinter dem schweizweiten Trend zurück.

Kleine Universitäten verfügen in der Regel über günstigere Betreuungsverhältnisse als Grossanstalten. Unabhängig von den Studierendenfrequenzen müssen sie eine Grundausstattung an Personal unterhalten, um die akademischen Kernfächer anbieten zu können. Ihre günstigere Betreuungssituation entspricht einem strukturellen Mindestbedarf der personellen und disziplinären Ausdifferenzierung der Institution Universität. Ohne ihren Anspruch als Volluniversität einzubüssen, können sie dieses Minimum nicht unterschreiten. Der politische Wille ist insofern zweitrangig.

Die Betreuungsrelationen der Universität Basel im 19. und 20. Jahrhundert fügen sich insgesamt in dieses Muster. In den Stichjahren 1840 und 1930, für die vergleichbare Zahlen vorliegen, verfügte sie über ähnlich günstige Betreuungsverhältnisse wie die kleinen Universitäten in Deutschland, mit denen sie auf den ersten Rängen rangierte. 1853 kamen in Basel auf eine Lehrperson 2.7 Studenten; 1840 waren es in Rostock 1.8, in Giessen 5.5 oder in Greifswald 5.6. Es gab auch bedeutende Ausnahmen von dieser Regel: Die Gross-Universität Berlin zum Beispiel konnte sich aus Prestigegründen über lange Zeit im Mittelfeld halten.

Infrastruktur und Betreuung
Bekanntlich verursacht ein Student der «Schreibtisch-Disziplinen» in den Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften ungleich weniger Ausbildungskosten als seine Kommilitonin in den Medizinal- und Naturwissenschaften mit teuren Labors und Apparaturen. Diese Differenz ist aber nicht alleine auf die Kosten der Infrastruktur zurückzuführen. Sie widerspiegelt auch die Intensivität und Qualität der Betreuung. Seit der Beschleunigung des Personalausbaus in den 1960er Jahren entwickelte sich die Betreuungssituation in den Philosophisch-Historischen und den Juristischen Fakultäten stark unterdurchschnittlich und ging vor allem zulasten des ‹billigen› unteren Mittelbaus. In Basel spiegelt sich diese Divergenz sehr deutlich: 1960 fielen auf einen Ordinarius in der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mit 27.0 annähernd gleich viele Studierende wie in der Philosophisch-Historischen (28.2) und der Juristischen Fakultät (31.3). Dreissig Jahre später kommen entsprechend 46.2, 64.0 bzw. 83.5 Studierende auf einen Inhaber eines ordentlichen Lehrstuhls.

Das Entwicklungsbild seit den 1990er Jahren ist disparat. An allen Schweizer Universitäten verbesserte sich zwischen 1990 und 2008 das Verhältnis zwischen Studierenden und dem akademischen Gesamtpersonal von 8.0 auf 5.6. Bezieht man dagegen nur die (ordentlichen und ausserordentlichen) Professuren ein, wurde das Verhältnis weiter ausgedünnt (von 39.8 auf 41.7). Diese vom Bundesamt für Statistik erhobenen Zahlen beziehen sich auf Vollzeitäquivalente. Die für die Universität Basel vorliegenden Zahlen sind personenbezogen und damit nur indirekt vergleichbar. Insgesamt zeichnet sich ein leichter Rückstand gegenüber dem schweizerischen Trend ab: Das Verhältnis zwischen den Studierenden und dem gesamten Lehrpersonal verbesserte sich im genannten Zeitfenster lediglich von 9.6 auf 8.2, das Verhältnis zwischen Studierenden und Professuren verschlechterte sich von 20.7 auf 22.0. Die starke Zunahme der Studierendenzahlen, die nach der Stagnation in den 1990er Jahren besonders forciert wurde, konnte auf der Seite des Lehrkörpers nicht in dem Masse aufgewogen werden, wie es an anderen Universitäten geschah. Der Vergleich hinkt aber leicht: Die ungewöhnlich gut ausgestatteten technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne sind im Schweizer Mittel eingerechnet.


Gesamte Universität 
  1853  1908  1930  1960  1990  2008 
 Studierende  80 628  1078  2497  6950 11360
 Lehrpersonal total
30 120 168 284  722
1384
 Ordinarien 23 57 70 100 130
171
 Relation Stud./Lehrpers. total
2.7 5.2  6.4  8.8  9.6  8.2 
 Relation Stud./Ordinarien
3.5 11.0
15.4
25.0
53.5
66.4


Theologische Fakultät 
  1853  1908  1930  1960  1990 
 Studierende 47 48  49  128 201 
 Lehrpersonal total
5 12  15  19  17 
 Ordinarien 4 9
 Relation Stud./Lehrpers. total
9.4
4.0 3.3  6.7  11.8 
 Relation Stud./Ordinarien
11.8
5.3
8.2
14.2
28.7

 

Juristische Fakultät 
  1853  1908  1930  1960  1990 
 Studierende 9 61
129
313 918
 Lehrpersonal total
4 12  12  24  30 
 Ordinarien 10  11
 Relation Stud./Lehrpers. total
2.6
5.1  10.8  13.0  30.6 
 Relation Stud./Ordinarien
3.0
7.6
21.5
31.3
83.5

 

Medizinische Fakultät 
  1853  1908  1930  1960  1990 
 Studierende 20
180 359 698 1369 
 Lehrpersonal total
6
40  52  102  270 
 Ordinarien 5
18  21  32  31 
 Relation Stud./Lehrpers. total
3.3
4.5  6.9  6.8  5.1
 Relation Stud./Ordinarien
4.0
10.0
17.1
21.8 44.1

 

Philosophisch-Historische Fakultät
(ab 1908 Phil. I und II getrennt)
  1853  1908  1930  1960  1990 
 Studierende 5 168 276 706 2616 
 Lehrpersonal total
14  31  48  68 194 
 Ordinarien 11  11  23  25  41
 Relation Stud./Lehrpers. total
0.4
5.4  5.75  10.4  13.5 
 Relation Stud./Ordinarien
0.5
15.3
12.0
28.2 64.0

Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
(ab 1908 Phil. I und II getrennt)

  1853  1908  1930  1960  1990 
 Studierende 5 172 265 648
1847 
 Lehrpersonal total
14
26  41  71  211 
 Ordinarien 11
11 14  24  40 
 Relation Stud./Lehrpers. total
0.4
6.6  6.5  9.1
8.8
 Relation Stud./Ordinarien
0.5
15.6
19.0
27.0
46.2


Anmerkung zu den Tabellen: Das Lehrpersonal setzt sich aus folgenden, in den konsultierten Quellen erscheinenden Kategorien zusammen: ordentliche und ausserordentliche ProfessorInnen, Privatdozierende, Ehren- und Gastdozierende, LektorInnen. Bis 1990 sind nur diejenigen Lehrbeauftragten und Assistierenden inbegriffen, die in den Personalverzeichnissen in einer dieser Kategorien erfasst wurden. Im Stichjahr 2008 sind alle Lehrbeauftragten mit eingerechnet. In den Jahren 1990 und 2008 sind die emeritierten Mitglieder des Lehrkörpers nicht mitgezählt; vor 1963 ist die Ausscheidung der Emeriti aufgrund der herangezogenen Quellen nicht möglich. Im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät ist das Personal des zahnärztlichen Instituts mitgezählt. Um kurzfristige Schwankungen in der Zahl der Studierenden und Dozierenden auszugleichen, wurden die Werte der Stichjahre mit den angrenzenden Werten zu Dreijahresschnitten verrechnet.
 

Themen


Materialien 

Quellen

  • Bundesamt für Statistik
  • Ferber, Christian: Die Entwicklung des Lehrkörpers der deutschen Universitäten und Hochschulen 1864-1954, Göttingen 1956.

Literatur

  • Klinge, Matti: Die Universitätslehrer, in: Rüegg, Walter et al. (Hg.): Geschichte der Universität in Europa, München 1993ff., III, 113-143.
  • Gerbod, Paul: Ausstattung, Finanzierung, Organisation, in: Rüegg, Walter et al. (Hg.): Geschichte der Universität in Europa, München 1993ff., III, 97-112.
  • Titze, Hartmut: Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945, Göttingen 1995.