Der Lehrkörper und seine Entwicklung

1960, zur Zeit der 500-Jahr-Feier, trugen fünf Ordinarien die Verantwortung für Lehre und Forschung, drei im Bereich Privatrecht/Rechtsgeschichte sowie je einer für Oeffentliches Recht und Strafrecht. Daneben lehrten einige nebenamtliche Dozierende als Extraordinarien, Ehrendozenten, PD oder Lektoren, alle jedoch auf Lehrauftrags-Basis und durchschnittlich 2-stündigem Lehrangebot. Als erste Ordinaria wurde 1989 Ingeborg Schwenzer berufen.

Aufgrund der Altersstruktur wurde seit Ende der achtziger Jahre gut die Hälfte der Ordinarien binnen weniger Jahre emeritiert und musste ersetzt werden. Es betraf dies die Professoren Kurt Eichenberger, Karl Spiro, Günter Stratenwerth, Frank Vischer sowie die Inhaber persönlicher Ordinariate Hans Rudolf Hagemann und Fréderic-Edouard Klein. Als Einziger seit Prof. Max Imboden (†1969) verstarb Prof. Johannes Georg Fuchs noch während seiner Amtszeit († 1990).

Nach Einführung des Universitätsstatuts aufgrund des Universitätsgesetzes von 1995 wurden neu Titularprofessuren (an Stelle der bisherigen Extraordinariate) erteilt; später wurden zwei hauptamtliche Extraordinariate geschaffen und besetzt; deren Umwandlung in persönliche Ordinariate erfolgte 2009. Daneben wurden einzelne Assistenzprofessuren eingerichtet, z. T. mit tenure track; 2004 verstarb in dieser Funktion die Nachwuchswissenschaftlerin Angela Augustin.

Eine Mitwirkung von Assistierenden in der Lehre wurde erst im vergangenen Jahrzehnt zögernd institutionalisiert, ist aber heute ein wichtiger Bestandteil insbesondere im Gruppen- und Proseminar-Unterricht. Die Veränderungen im Stellenbild der Assistierenden zugunsten eigener Forschung führten zu markanter Reduktion der Kapazität für die Lehrstühle (Ordnung für das wissenschaftliche Personal 2007).

Die Dozierenden-Kapazität hatte sich seit 1960 nur schleichend und nicht entsprechend der Studierendenzahl erhöht, was zu einem wachsenden Missverhältnis führte. Von 1990 bis 1995 stieg die Studentenzahl um fast 50% an und erreichte 1250 Studierende. 1996 kamen auf ein Ordinariat 125 Studierende - das schlechteste Betreuungsverhältnis aller Schweizer Rechtsfakultäten. Die Fakultät bildete mit knapp 5% des universitären Lehrkörpers 16% der Studierenden aus. Damit waren die Jus-Studierenden die ‹billigsten› der Universität (5730 Franken pro Jahr; Oekonomen 9040 Fr.). Nach zahlreichen Vorstössen brachte erst die ‚Bologna-Perspektive' einen ersten Ausbau-Schub, der jedoch den neuen Bedarf noch nicht abdecken kann (Entwicklungspläne der Fakultät von 2004 und 2008).

Heute umfasst der Lehrkörper 15 ordentliche Professuren (ohne EIB), davon zehn vollamtliche, daneben vier Assistenzprofessuren und rund 60 Lehrbeauftragte (inkl. Titularprofessuren). Eine aktuelle Aufstellung enthält die Website der Juristischen Fakultät. Kurzangaben mit Portraits enthalten einzelne Publikationen. Die Zahl der Studierenden liegt im Herbst 2008 bei 1280 Hauptfachstudierenden; insgesamt nehmen z. Zt. ca. 1400 Studierende Lehrleistungen der Fakultät in Anspruch. Mit einem Betreuungsverhältnis von 1 zu 94 liegt unsere Fakultät schweizweit wiederum – gemeinsam mit Zürich – am unteren Ende.

Fakultätsmitglieder im öffentlichen Raum
Immer wieder bekleideten Mitglieder unseres Lehrkörpers bedeutende öffentliche Funktionen, sei dies neben ihrer Lehrtätigkeit (Oberstbrigadier Prof. Kurt Eichenberger [† 2005], Appellationsgerichtspräsidenten Proff. Adrian Staehelin, Fritz Rapp; Direktor des Bundesamtes für Justiz Prof. Heinrich Koller; Ständeratspräsident Prof. René Rhinow, Bundesverwaltungsrichter Prof. Stephan Breitenmoser; Prof. Mark Pieth [Funktionen im Rahmen von OECD und UNO]), sei es durch Sistierung ihrer Fakultätsfunktionen (Bundesrat Prof. Hanspeter Tschudi [† 2002]; Bundeskanzler Prof. Walter Buser; Bundesrichter Proff. Alfred Kuttler, Hans Dubs († 2005), Martin Schubarth; Prof. Luzius Wildhaber, Richter, dann Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). Prof. Detlev Krauss wurde 1992 (nach Fall der Mauer) zum Neuaufbau der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität nach Berlin berufen.

Das Rektorat unserer Universität bekleideten in den letzten 50 Jahren die Rechtsprofessoren Max Imboden († 1969), Kurt Eichenberger († 2005), Frank Vischer und Luzius Wildhaber. Prof. Günter Stratenwerth hielt 1987 am Dies academicus die vielbeachtete Rektoratsrede über das Brandereignis von Schweizerhalle.

Mobilität der Dozierenden
Immer wieder haben auswärtige Gelehrte das Angebot der Fakultät bereichert. Als Ehrendozent fand der bekannte Rechtshistoriker Prof. Guido Kisch († 1985) nach seiner Amtsenthebung in Halle (1933) und Emigration in die USA hier seit 1954 wiederum eine Wirkungsmöglichkeit im deutschen Sprachraum. Vorübergehende Lücken im Lehrangebot der Fakultät konnten wiederholt durch Gewinnung von Gastdozenten geschlossen werden, etwa im Völkerrecht durch die Professoren Dietrich Schindler (Zürich) 1966-1970 und Ernst Friesenhahn (vordem deutscher Bundesverfassungs-richter) 1971-1974. Mit Unterstützung der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft FAG konnten wiederholt bekannte Rechtsprofessoren aus Europa und den USA für Gastsemester an der Fakultät gewonnen werden.

Ebenso werden wiederholt Gastwissenschaftler zu Forschungszwecken an die Fakultät geladen (als letzter 2008 Prof. Gerald Mäsch von der Universität Münster). Die traditionelle Verbindung zwischen den Universitäten Krakau und Basel erlaubte insbesondere während der sowjetischen Herrschaft mehreren polnischen Juristen Gastaufenthalte in Basel. Die Stranjak-Stiftung ermöglichte viele Jahre lang die Einladung osteuropäischer Wissenschaftler für ein Gastsemester (s. o. Ziff. 1.3).

Umgekehrt erlebte die Fakultät immer wieder Wegberufungen aus ihrem Lehrkörper. Es waren dies in neuerer Zeit die Professoren Peter Saladin 1977 an die Universität Bern, Detlef Krauss 2002 an die Humboldt-Universität Berlin, Luzius Wildhaber 1998 als Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Strasbourg, Paul Richli 2001 als Gründungsdekan an die neue Universität Luzern, Anton Schnyder 2002 nach Zürich. - Nach einem denkwürdigen Fackelzug der Studierenden durch Basel verzichtete Prof. Günter Stratenwerth darauf, einer Berufung nach München zu folgen. Auch auf andere Rufe wurde (teils nach entsprechenden Bleibeverhandlungen) bisweilen verzichtet.

Daneben wurden auch Mitglieder des Lehrkörpers zu Gastsemestern ins Ausland berufen, so Prof. Frank Vischer 1975 an die Harvard-Universität nach Boston, Mass.

 

 

Themen


Materialien
Literatur
  • Das Rechtsstudium in Basel 1460-1798, in: Jubiläumsschrift für J. G. Bluntschli, Zürich 1879, S.11 ff. 
  • Erwin Ruck und Fritz Goetzinger, Die Juristische Fakultät und der Beruf des Juristen, Basel 1940
  • Georg Boner, Die Universität Basel in den Jahren 1914-1939, Basel 1943
  • Hans Hinderling, Ernstes und Heiteres aus Gerichtspraxis und Fakultätsbetrieb, in: Basler Juristische Mitteilungen, Basel 1984, S. 1 ff.
  • Max Imboden, Probleme der schweizerischen juristischen Fakultäten, in: Schweizer Monatshefte, Zürich 1960, S. 336 ff.
  • J. G. Fuchs, Die Juristische Fakultät der Universität Basel, in: Basler Stadtbuch, Basel 1969, S. 17 ff.
  • Das Rechtswissenschaftliche Studium in der Schweiz  (Red. C. Flück), Zürich 1968 (und Folgeauflagen);
  • Evelyn Braun, Jurisprudenz, in: Basels gescheitestes Haus, Sonderdruck Basler Zeitung, Basel 1988, S.  93 ff.
  • Franz Hasenböhler, Die Juristische Fakultät, in: Zehn Jahre Maiengasse, Liestal 1993, S. 3 ff.
  • Ius in Basel: Lehre, Forschung, Dienstleistung, Basel: Juristische Fakultät 2003
  • Uni Nova Nr. 71, Basel 1994
  • C. Flück, Informatik im Rechtsunterricht, in: Festschrift Jan Stepan, Zürich 1994, S. 327 ff.
  • Alfred Müller, Entstehungsgeschichte des Instituts für Rechtswissenschaft, in: Zehn Jahre Maiengasse, Liestal 1993, S. 6 ff.
  • Professoren der Universität Basel aus fünf Jahrhunderten, Basel 1960