Das Jahrhundert der Jubiläen

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Jubiläen. So auch in Basel: Drei Tage lang feierte die Universität ihr 400-jähriges Bestehen. Nicht nur die Akademiker jubilierten, sondern die ganze Stadt. Den zahlreichen Gästen wurde eine ruhmreiche Universitätsstadt vorgeführt: Entstanden auf dem Grund antiker Zivilisation von Augusta Raurica, sollte Basel als altehrwürdige mittelalterliche Zunftstadt, die im Glanz der Moderne angekommen war, erscheinen.

Neues Datum, neue Dimensionen
Im Unterschied zu den Jubiläumsfeiern von 1660 und 1760, die jeweils am 4. April den Eröffnungstag der Universität feierten, wurde die Jubiläumsfeier 1860 um den 6. September herum arrangiert. Zu diesem Datum hatte die Universität 1460 auf die von der Stadt erlassenen Privilegien mit Gegenverpflichtungen geantwortet und damit ihre Stellung in der Stadt endgültig festgelegt. Aber nicht nur in Bezug auf das Datum schien man sich 1860 von den vorangegangenen Feiern abheben zu wollen: Auch im Umfang zeichnete sich eine deutliche Veränderung ab.

Die Feiern von 1660 und 1760 hatten «sich nicht über den Umkreis der Stadtmauern hinaus erstreckt», heisst es im offiziellen Festbericht von 1860 – was ein interessanter Vergleich ist, bedenkt man, dass erst 1859, also ein Jahr vor der Feier, der Entschluss verabschiedet wurde, die mittelalterliche Stadtmauer Basels abzureissen. 1860 galt es, ein weiter gefasstes Publikum in die Universitätsfeier einzubeziehen. Zur dreitägigen Jubiläumsfeier wurden alle Universitäten der Eidgenossenschaft, von Deutschland, Holland, Belgien, England und Strassburg sowie die Rektoren der Schweizer Akademien und Gymnasien eingeladen.

Des Weiteren zeichnete sich das Universitätsjubiläum von 1860 durch eine komplexe Organisationsstruktur aus. Seit 1822 hatte Basel mit seinen Feiern anlässich der St.-Jakob-Schlacht bewiesen, dass es einen Hang zu städtischen Gedenkfeiern hatte und den entsprechenden organisatorischen Höchstleistungen gewachsen war. Für das Universitätsjubiläum wurden mehrere Kommissionen und Komitees eingerichtet, welche für die Durchführung der Feierlichkeit verantwortlich waren. Als Spezialkomitees wurden ein Bau- und Dekorationskomitee, ein Empfangskomitee, ein Musikkomitee, ein Ordnungskomitee und ein Wirtschaftskomitee mit insgesamt fast 60 Mitgliedern gegründet, die das Ihrige zum Gelingen der Feier beitrugen. In diese Unterkomitees wurden Personen unterschiedlicher Gewerbe eingebunden: Im Ordnungskomitee etwa engagierten sich Militärfunktionäre, während im Bau- und Dekorationskomitee Architekten, Kaufleute und Lehrer versammelt waren. Dem Wirtschaftskomitee standen Männer verschiedener Berufsgruppen vor, etwa der Zunftmeister der Metzger, ein Maler, ein Fabrikant und ein Zuckerbäcker.

Konkurrenz im In- und Ausland
Grund für die ausgeweiteten Dimensionen der Jubiläumsfeier von 1860 dürfte nicht nur die Vorliebe des 19. Jahrhunderts für historische Jubiläen gewesen sein. Genauso ausschlaggebend waren vermutlich die im 19. Jahrhundert zahlreich in der Eidgenossenschaft entstehenden Universitäten: In Zürich etwa wurde 1833 eine Universität eröffnet, 1834 in Bern. Aber auch die Jubiläumsfeiern von Universitäten der nachbarschaftlichen Umgebung erzeugten eine Konkurrenzsituation. So hatte etwa die Universität Freiburg 1857 ihr 400-Jahr-Jubiläum feiern können. Man wollte sich gegenüber den neuen Universitäten anderer Kantone behaupten, indem man auf die lange Geschichte der Universität Basel verwies, welche diejenige der neu gegründeten Universitäten um ein Vielfaches übertrumpfte. Gleichzeitig beabsichtigte man, in Form einer grossangelegten 400-Jahr-Feier bei den Universitäten anderer europäischer Länder mithalten zu können.

Der weit ausgreifenden Einladung scheint denn auch von vielen Eingeladenen Folge geleistet worden zu sein: Über 300 Gäste aus dem In- und Ausland nahmen an den Feierlichkeiten teil – wohlgemerkt alles Männer. Die Zunftstadt Basel wusste ihre Vergangenheit als mittelalterliche Gelehrtenstadt an den Festtagen dabei ebenso in Szene zu setzen wie die Zeichen ihrer neuzeitlichen Modernität: Umzüge der Zunftgenossen und die traditionsreichen Figuren des «Vogelgryff» und des «Wilden Maa» wurden den Gästen ebenso präsentiert wie die renovierten Häuser der Ehrengesellschaften und der neue Zentralbahnhof.

Feiern mit und ohne Bürgerschaft
Der Jubiläumskommission lag offensichtlich daran, die Feier nicht auf die akademischen Kreise der Stadt zu beschränken, sondern die Bürgerschaft mit einzubeziehen. Aus verschiedenen Schreiben an die Meister und Vorgesetzten der Zünfte und Gesellschaften geht hervor, dass nachdrücklich um rege Teilnahme am Feiertagsprogramm des Donnerstags gebeten wurde. Das Festkomitee versprach in einem Brief vom 30. Juli 1860, man werde ein «gemeinschaftliches Bürgerfest begehen, wie ein solches Basel noch nie vereinigt gesehen hat». Auch waren die Bürger für die Beherbergung der Gäste in ihren Privathäusern zuständig. Am Festfreitag hingegen waren die Akademiker unter sich und besuchten die Ausgrabungsstätte in Augusta Raurica.

 

 

Jubiläumspostkarte 1860Jubiläumspostkarte 1860, StaBS: Bild 15,

StaBs BILD_15_385Festzug auf der Rheinbrücke, StaBS: BILD 15, 385

Sta BS BILD_15_325Gedenkblatt an die vierte Säkularfeier der Universität, StaBS: BILD 15, 325.

 

Themen


Materialien 


Literatur

  • Angehrn, Céline, Erinnerungskultur in Basel: Das Basler Universitätsjubiläum von 1860, Seminararbeit, Basel 2007.
  • Meier, Nikolaus: Das Mittelalter im Phantasiehaushalt der Stadt Basel. In: Schwarmaier, Hansmartin/Krüger, Jürgen/Krimm, Konrad (Hrsg.): Das Mittelalterbild des 19. Jahrhunderts am Oberrhein. Ostfildern 2004. S. 133-156.
  • Oexle, Otto Gerhard: Die Moderne und ihr Mittelalter. Eine folgenreiche Problemgeschichte. In: Segl, Peter (Hrsg.): Mittelalter und Moderne. Entdeckung und Rekonstruktion der mittelalterlichen Welt. Kongressakten des 6. Symposiums des Mediävistenverbandes in Bayreuth 1995. Sigmaringen 1997. S. 307-364.
  • Sarasin, Philip: Stadt der Bürger. Bürgerliche Macht und städtische Gesellschaft Basel 1846-1914. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen 1997.