Einen langen ersten Festtag hatten die eingeladenen Gäste, die Universitätsangehörigen und die mitfeiernde Bürgerschaft zu bestreiten: Morgens wurden die Geschenke überreicht, nachmittags gab es einen Festumzug und einen Festgottesdienst im Münster, bevor abends das Abendessen in «gemüthlicher Anarchie» in der Zentralbahnhofshalle stattfand.
Der erste eigentliche Festtag, der 6. September 1860, wurde angekündigt von Kanonenschüssen von der St.-Alban-Schanze aus und von zwei Chorälen, die von der Galerie des Münsters aus geblasen wurden. Morgens um neun versammelten sich die Gäste in der Aula des sich auf dem Münsterhügel befindenden Naturhistorischen Museums. In einer sich bis zum Mittag hinziehenden Zeremonie überreichten Vertreter der eingeladenen Hochschulen, Gymnasien, Zünfte und Gesellschaften und die ehemaligen Studenten ihre Gratulationsschreiben, Geschenke, Festschriften usw. Mit der Errichtung des Museums im Jahre 1849 an der Augustinergasse war eine bewusste Stilkonfrontation mit dem Münster gesucht worden. Von Anfang an stand es für das Bildungssystem und für die städtische Kultur gegen den Einfluss von kirchlichem Denken.
Traditionelle und moderne Geschenke
Die ehemaligen Studenten der Universität beschenkten die Universität mit einer silbernen Kanne und einem Becher, welche aus der zusammengetragenen Gesamtsumme von 1925 Franken und 60 Cent finanziert wurden und «bei festlichen Gelegenheiten gebraucht» werden sollten. Dieses Geschenk war in einem Auswahlverfahren als das passendste Präsent für das 400-Jahr-Jubiläum bestimmt worden. Es hatte sich gegen andere Vorschläge wie die Bezahlung eines Stipendiums oder den Kauf einer Statue durchgesetzt.
Ganz anders als dieses Repräsentationsgeschenk, welches auf das Mittelalter und damit auf die Gründungszeit der Universität rekurrierte und dessen Nutzen heute kaum mehr nachvollzogen werden kann, gestaltete sich die Gabe einer Gruppe wohlhabender Basler Bürger. Sie überreichten der Universität als Zeichen des Wirkens von Lehre und Forschung in der Stadt eine Sternwarte. In diesen zwei grossen Geschenken an die Universität veranschaulicht sich ein Nebeneinander von Geschichts- bzw. Traditionsbewusstsein und einem Bewusstsein der Bedeutung innovativer und in die Zukunft weisender Forschungsbestrebungen.
Festgottesdienst
Am Nachmittag des 6. Septembers 1860, sozusagen in der symmetrischen Mitte der drei Tage und somit offenkundig als einer der zentralsten Bestandteile der Jubiläumsveranstaltung, fand der grosse Festgottesdienst im Münster statt. Bis ins 19. und auch noch im 20. Jahrhundert machten die kirchliche Feiern einen wesentlichen Bestandteil säkularer Jubiläumsfeiern aus. Die Teilnehmer hatten sich zu einem Teil vor dem Museum, zu einem anderen Teil vor der Martinskirche versammelt und marschierten von dort unter dem Geläut aller Glocken dem Münster entgegen. Am Umzug nahm ein über 2000 Mitglieder zählender Zug teil; Nichtangehörige von Zünften und Gesellschaften aber waren davon ausgeschlossen. Frauen, wohl in erster
Linie die Angehörigen der Zunftmänner, durften an der Feier teilnehmen: Die Galerie und der
Chorumgang des Münsters waren beim Vorzeigen
gültiger Eintrittskarten für sie geöffnet.
Zwar mag der Eindruck entstehen, am Jubiläum hätte die ganze Stadt teilgenommen. Für die Zeit um 1860 muss aber ein sehr heterogenes Bild der Basler Wohnbevölkerung angenommen werden. Im Zuge der Industrialisierung wuchs die Gruppe von ‹Fremden› an der Wohnbevölkerung, und noch 1860 waren 35% der Gesamtbevölkerung Aufenthalter in Basel und verbrachten weniger als ein Jahr in der Stadt. Darüber, wie sie die Feierlichkeiten der Universität erlebten, gibt der Festtagsbericht nicht Auskunft.
Abendessen in der Zentralbahnhofshalle
Nach dem Gottesdienst gelangten die Festteilnehmer wiederum in einem feierlichen Zug durch die Rittergasse, den St.-Albangraben, die Aeschenvorstadt und entlang der zum Teil geöffneten Stadtmauer zum Zentralbahnhof. Dies stellte eine durchaus symbolisch aufgeladene Route dar: Sie führte vor Augen, dass Basel den begrenzten Wirkungskreis der mittelalterlichen Mauern gesprengt und den Anschluss an das Eisenbahnnetz, Symbol für den Anschluss an die industrielle Modernisierung, gefunden hatte.
Das von Johann Wahrmund Hess herausgegebenen Buch zur Jubiläumsfeier ermöglichte es, die Predigt, aber auch die sorgfältig vorbereiteten Gedichte und Ansprachen, welche auf das Jubiläum verfasst worden waren und abends in der Zentralbahnhofshalle vorgetragen werden sollten, festzuhalten und zu würdigen. Im Gemenge der grossen Teilnehmerzahl und ohne die Möglichkeit akustischer Verstärkungstechnologie mussten einige geplante Ansprachen und Auftritte gekürzt oder ganz weggelassen werden, und die vergeblich von Bürgermeister Sarasin oder Direktor W. Schmidlin versuchten Reden gingen in der «gemüthlichen Anarchie» unter.
Nächtlicher Fackelzug zum Tagesabschluss
Die Feier wurde mit einem nächtlichen Fackelzug der Studenten abgeschlossen. Auf dem Marktplatz wurden die Fackeln auf einen Haufen geworfen und das grosse Feuer erleuchtete die Zuschauer «mit dunkelrothem Scheine». Ähnlich wie für den Abend des 5. Septembers, an welchem das
Universitätsgebäude beleuchtet wurde, betont der Festtagsbeschrieb auch
hier die Strahlkraft, welche die Fackelbegleitung den Gästen auf ihren Heimweg
mitgab. Und auch über das 19. Jahrhundert hinaus scheinen Fackeln zur universitären Jubiläumsinszenierung als angebracht gegolten zu haben: Noch 1960 wurden Fackeln verwendet, um dem 500-Jahr-Jubiläum einen feierlichen Charakter zu verleiehen.