Der sogenannte «zweite Festtag» war im Grunde
genommen schon der dritte Tag, an dem die Feiernden zusammentrafen.
Anders als die Vortage war er aber nur für die akademischen Kreise
bestimmt. Die Universitätsangehörigen, die ehemaligen Studenten und die
geladenen Gäste fuhren mit der Eisenbahn nach Augusta Raurica und sahen
sich die antiken Überreste, inszeniert als Sinnbilder einer langen
Geschichte zivilisierten Lebens, an.
Sosehr man sich am ersten Festtag um eine Teilnahme der Stadtbürger
bemüht hatte, schien man sich für den nächsten Tag auf die in engerem
Sinn mit der Universität verbundenen Gäste beschränken zu wollen. Die
Akademiker waren am zweiten Festtag unter sich. Dies mag verschiedene
Gründe gehabt haben: finanzielle, organisatorische oder ideelle. Am
Morgen des 7. Septembers nahmen jedenfalls nur die Angehörigen der
Universität, die akademischen Zunftbrüder, die Mitglieder der
akademischen Gesellschaft, des Museumsvereins sowie die Gönner der
Sternwarte an einer Feier in der Martinskirche teil. Der Rektor Peter Merian bot, seinen Vorgängern von 1660 und 1760 folgend, einen Überblick über die Geschichte der Universität und verkündete die Ehrenpromotionen.
«Eilende Zeit»
Daraufhin wurde in zwei verschiedenen Lokalitäten das Mittagessen
eingenommen: Die Vertreter der Behörden, die Lehrer und Professoren
wurden im Stadtcasino bewirtet, während die ehemaligen Studierenden
sich im Kleinbasel zusammenfanden. Die Mahlzeit war auf der
Einladungskarte als Frühstück ausgegeben, aber «in der That ein
splendides Mittagsmahl», wie der Festtagbericht verrät.
Das gemeinsame Essen schuf wahrscheinlich einen angenehmen Rahmen für
Gespräche und Austausch, da im Vergleich zum Vortag die Teilnehmerzahl
um ein Vielfaches gekürzt worden war. Die Studenten sassen nach den
Jahrgängen ihrer Studienzeit geordnet zusammen und tauschten
Erinnerungen aus. Auch an diesem Anlass, wie bereits am Vorabend, kam
es nicht dazu, dass alle Tafel- und Trinksprüche, die vorbereitet
waren, auch vorgetragen werden konnten: «Manche schöne kräftige Worte
wurden gesprochen, Andere verhinderte die eilende Zeit am Ausbringen
ihrer Trinksprüche», hält der Bericht fest.
Mit der Eisenbahn nach Augusta Raurica
Nachmittags fuhren die Feiernden bei schlechtem Wetter nach Augusta
Raurica, wo sie die Überreste der römischen Siedlung besichtigten und
basellandschaftlichen Wein kosteten. Die akademische Feier, die in der
Martinskirche in feierlich-ernsthaftem Rahmen angefangen hatte,
erreiche auch eine gewisse Geselligkeit: Die Fahrt mit der Eisenbahn,
die Besichtigung der römischen Stätte und die Weindegustation boten
auch ein attraktives Unterhaltungsangebot. Wiederum kamen zahlreiche
Redner zu Wort. Die einen nutzten die Plattform, um sich über die
Zusammengehörigkeit der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt
auszusprechen, die mit der Kantonstrennung von 1833 empfindlich in Frage gestellt worden war und die finanzielle Basis der Universität existenziell gefährdet hatte.
Andere bezogen sich in ihrem Lob auf die Universität und die Stadt Basel auf die eben gemachten Erkundungen in der Römerstadt. So etwa Professor Köchly aus Zürich, der «sein Hoch auf die altehrwürdige, immer frische Basileia» anschloss an die «Bilder aus längstvergangenen Zeiten [...], welche die Stunden vor seinem geistigen Auge hatten entstehen lassen»: Er «vergegenwärtigte die allmähliche Entwicklung eines christlich germanischen freien Gemeinwesens an der Stelle der zur Knechtung der Völker angelegten Römercolonie».
Das Organisationskomitee der Jubiläumsfeier hatte es wohl verstanden, mit dem Ausflug nach Augst zwei Dinge miteinander zu verbinden, auf die man besonders stolz war: die lange Geschichte zivilisierten Lebens, versinnbildlicht in den Überresten der römischen Kolonie und dem 400-jährigen Fortbestehen der Universität, und die in symbiotischer Weise mit dieser Geschichte verschmelzenden Zeichen der Modernität. Man darf annehmen, dass sowohl die gemeinsame Fahrt in der Eisenbahn als auch das am 6. September 1860 im reich geschmückten Zentralbahnhof veranstaltete Abendessen und der abschliessende Kommers der Studenten im Bahnhof den technischen Standard Basels in Szene setzen sollte.