Die Einweihungsfeier des Kollegienhauses 1939Im Juni 1939 war es endlich so weit: Die Universität
Basel konnte die Eröffnung eines neuen Kollegiengebäudes feiern. Drei
Tage dauerte das Fest, das alle traditionellen Bestandteile
universitärer Festkultur aufwies: eine Münsterfeier, einen Festzug durch
die Stadt, ein Bankett für die geladenen Gäste sowie ein abendliches
Volksfest. Der Ortswechsel der Universität bedeutete einerseits einen
Neubeginn und zugleich das Bekenntnis, man wolle an den überlieferten
Werten der «fast fünfhundertjährigen Geschichte» festhalten. Die Feier
bot aber nicht nur die Gelegenheit, über die Aufgaben der Basler
Universität nachzudenken, sondern ebenso, den eidgenössischen
Zusammenhalt im Sinne der geistigen Landesverteidigung zu betonen.
«Nach vielen, unendlich vielen Sitzungen...» Die Eröffnung des neuen Kollegiengebäudes am Petersplatz im Juni 1939 hatte eine lange Vorgeschichte. Bereits im 19. Jahrhundert wies das alte Kollegienhaus massive bauliche und sanitärische Mängel auf. Eine Petition von Basler Bürgern verlangte 1876, dass eine neue Unterbringung für die Universität gefunden würde. Nachdem erste Bemühungen um ein neues Kollegiengebäude verebbten, kam es nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Wiederaufnahme des Projektes. 1931 wurde – wie es schon 1912 geschehen war – ein Architekturwettbewerb für einen Neubau auf dem Zeughausareal am Petersplatz ausgeschrieben, den der Zürcher Roland Rohn gewann. Im Dezember 1936 begann der Abbruch des alten Zeughauses und 1939 konnte das lange ersehnte neue Kollegiengebäude endlich feierlich eingeweiht werden. Der Professor für Medizin, Alfred Labhardt, der die Gäste der Eröffnungsfeier im Kunstmuseum willkommen hiess, sagte zur langwierigen Vorgeschichte: «Nach vielen, unendlich vielen Sitzungen, Besprechungen, Entwürfen, Gegenentwürfen, Anträgen und Beschlüssen hat aber endlich [...] die alma mater ein ihren Forderungen entsprechendes neues, modernes Heim erhalten.»
Eine Feier im Kreise eidgenössischer Gäste Es war kein Zufall, dass die Zusammensetzung der Gäste zur Eröffnungsfeier im Jahr 1939 anders ausfiel als bei der grossen 400-Jahr-Feier der Universität und auch noch beim «Zwischenjubiläum» von 1910. «In Anbetracht der allgemeinen Lage», hielt der Staatsarchivar Paul Roth im Festbericht fest, wurden keine Gäste aus dem Ausland eingeladen. Umso mehr legte man Wert darauf, Vertreter und Würdenträger aus der Schweiz am Fest dabei zu haben. Der Bundespräsident Dr. Philipp Etter und der Bundesrat Dr. Johannes Baumann ebenso wie Vertreter des Schweizer Bundes- und Versicherungsgerichts, der Eidgenössischen Räte und der Armee waren der Einladung zur Einweihungsfeier gefolgt. Zudem waren alle Kantonsregierungen und die acht schweizerischen Hochschulen mit mindestens einem Vertreter zur Feier angereist. Die Motive des eidgenössischen Zusammenhalts und der geistigen Landesverteidigung durchzogen die Festtage zur Einweihung des neuen Kollegienhauses. Gerade das an den geografischen Grenzen liegende Basel habe ein besonders ausgeprägtes Bewusstsein dafür entwickelt, «dass an den Grundfesten unserer Demokratie und unserer Freiheit nicht gerüttelt werden darf», sagte Regierungsrat Dr. Fritz Hauser in seiner Ansprache bei der Münsterfeier am Festsamstag. Der Bundespräsident Dr. Philipp Etter beschwor in seiner Rede die Werte «Freiheit, Unabhängigkeit, bündische, eidgenössische Gemeinschaft, Freiheit der Menschen und Freiheit des Landes» und schloss mit dem Wunsch, die Basler Universität möge in ihrem neuen Gebäude «Trägerin und Künderin dieses alten schweizerischen Geistes sein!». In gleicher Weise äusserten sich weitere Stimmen. Als am feierlichen Festbankett der Basler Regierungspräsident seine Rede mit den Worten «Unser schweizerisches Vaterland lebe hoch!» geschlossen hatte, erhoben sich die Gäste spontan und sangen gemeinsam die Landeshymne.
Übergabe der Rektoratskette und der Fahne an die Studentenschaft Den Vorabend beschloss der an Universitätsfeiern traditionelle Fackelzug der Studentenschaft. Aussergewöhnlich war, dass es für einmal nicht die Studenten waren, die dabei ein Geschenk an die Universität überreichten, sondern umgekehrt: Den Studenten wurde unter dem «nächtlichen Himmel» eine neue Fahne übergeben. Der Rektor Prof. E. Staehelin verglich die Studentenschaft mit den vier Bataillonen des Basler Territorialregimentes, die ebenso kürzlich neue Fahnen erhalten hatten. Auch die Studenten der Universität Basel stünden im «Kriegsdienst», nämlich im «Dienst der Wissenschaft [...], der nicht minder den letzten Einsatz fordert». Dieser «Kriegsdienst anderer Art» bedeute die wissenschaftliche «Eroberung des Universums», der «Geheimnisse der Überwelt» und die «Eroberung des eigenen Selbst». Der Präsident des Delegiertenkonventes wusste an die Redeweise des Rektors anzuschliessen und antwortete: «Wie dem weissen Kreuz im roten Feld, der Fahne des Vaterlandes, so geloben wir auch der Fahne unserer Universität unsere unverbrüchliche Treue.»
«Das noch leere Gebäude mit Inhalt füllen»
Schlüsselübergabe, Festbankett und Volksfest Wenig später versammelten sich 720 Teilnehmer im grossen Musiksaal des Stadtkasinos zum Bankett, während sich die Damen im Kollegienhaus zum Universitäts-Damentee trafen. Zum Ausklang des Festtages fand ein abendliches Volksfest auf dem Petersplatz statt, zu dem für mehr als 6000 Personen Sitzgelegenheiten organisiert worden waren. Anfänglich waren die Feierlichkeiten zur Einweihung des neuen Kollegiengebäudes am Petersplatz nicht als Volksfest geplant. Aus der Presse erfuhr man, dass die Universität mit einem «auswählten Teil der Bürgerschaft» die Eröffnung zu begehen gedenke. Darauf meldete sich im Januar 1939 ein Quartierkomitee (das «Spalenhubelkomitee»), das sich für den Neubau am Petersplatz stark gemacht hatte, bei der Regierung, um zu einem Fest auf «breiterer» Basis anzuregen, einem eigentliches Volksfest, «an welchem die ganze Bevölkerung teilnehmen kann». Die Universität machte sich ein paar Wochen später diese Idee zu eigen. Ein kurzes Gewitter drohte das fröhliche Fest «akademisch-studentischer Prägung» auf dem Vorplatz des neuen Universitätsgebäudes beinahe platzen zu lassen; schliesslich wusste der Rektor den kurzen Schauer aber auf seine Weise zu deuten und verkündete bei seiner Ansprache in Baseldeutsch: «Aber grad unter däm Blitze und Donnere wämmer is umso mer zu-n-ere feschte, innige Volksgmeinschaft zämme finde [...]; und unter Blitz und Donner wämmer zämme blibe, und wie mer zämme gfiert worden sin zum Bau vo der Basler Universität, wämmer zämme witer schaffe am Bau vo unserem liebe, freie Schwizerhus!» Gegen Mitternacht kam das Fest, das von zahlreichen Reden, Gesängen und musikalischen Einlagen der Polizeimusik begleitet wurde, zu einem Ende. Am Sonntag fand die Einweihung des neuen Kollegiengebäudes mit einem von Prof. Dr. Karl Barth gehaltenen Festgottesdienst in der Martinskirche schliesslich einen «würdigen Abschluss», bevor ein studentischer Sommernachtsball im neuen Kollegienhaus die Feier endgültig ausklingen liess. |
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