|
1960: 500 Jahre – ein halbes JahrtausendJubiläen sind Feste, die man feiert, wie sie fallen. So wollte es der Zufall, dass das 500-Jahr-Jubiläum der Universität Basel im Jahr 1960 in eine Zeit fiel, die von Gegensätzen, Umbrüchen und vom Ost-West-Konflikt, aber auch von Zuversicht und Festlaune geprägt war. In den 50er-Jahren hatte das benachbarte Freiburg seine 500 Jahre gefeiert und auch Basel hatte zahlreiche Stadtfeste durchgeführt. Es war klar, dass die Feier zum halben Jahrtausend der Basler Universität etwas ganz Besonderes werden musste. Zeitungen, Radio und Fernsehen waren beim Grossereignis dabei. Die viertägige Feier, die für jedermann und – das war eher neu – auch für jede Frau etwas bieten sollte, gipfelte in einem grossen Volksfest. Die Zeit um 1960 war von zwei Bewusstseinslagen geprägt: Zwar waren insbesondere in der Grenzstadt Basel die Weltkriege stark in Erinnerung und der unbedingte Fortschrittsglaube, der noch beim Jubiläum von 1860 vorgeherrscht hatte, gebrochen. Gleichzeitig waltete aber auch die positive Grundstimmung der Wachstumsjahre der Nachkriegszeit. So äusserte der Rektor Ernst Staehelin durchaus ernste Bedenken, als er in seiner Jubiläumsansprache die Erwartung formulierte, dass die Universität ihre Aufgabe im Kontext von «unheimlichen technischen Möglichkeiten» und eines «existenziellen Ernstes der Weltlage» neu definieren müsse. Und auch die Brisanz des Ost-West-Konflikts war für Basel zu spüren, als die Universität ihre Geburtstagsfeier zu organisieren begann. Die Frage, wer als Jubiläumsgast willkommen sei, schied die Gemüter. Aber all diesen schwierigen Themen zum Trotz herrschten zum 500-Jahr-Jubiläum auch Festfreude und Zuversicht in Basel. Die materielle Grundlage der Universität schien in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs durch nichts infrage gestellt zu sein.
In einer Zeit, in der Stadtfeste beliebt sind: eine Feier der Superlative Die Tendenz, Universitätsjubiläen stets mit grösserem Aufwand zu inszenieren, hatte bereits im 19. Jahrhundert ihren Anfang genommen. Jubiläen boten nicht nur die Gelegenheit, ausgiebig zu feiern, sondern auch die Möglichkeit, sich als Institution gegen innen zu bestätigen und gegen aussen zu präsentieren. Hinzu kam, dass Basel schon in den 1950er-Jahren mehrmals die Gelegenheit wahrgenommen hatte, Jubiläumsfeiern zu veranstalten. 1951 zum Beispiel hatte die Stadt die 450-jährige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft und 1957 die 2000 Jahre zurückliegende Gründung der Römerkolonie Augusta Raurica gefeiert, obwohl mehrfach darauf hingewiesen worden war, dass die Berechnung dieses Gründungsdatums falsch war. Diese Festtradition und die Tatsache, dass immerhin ein «halbes Saeculum» zu feiern war, steigerten die Bereitschaft und den Willen, das Fest mit grossem Aufwand und einem ansprechenden Programm zu begehen.
Eine Feier für verschiedene Zielgruppen Diese Aufgliederung ergab sich zum Einen aus der zeitlichen Ausdehnung, die ein viertägiges Jubiläum bedeutete. Zum Anderen machte sie deutlich, wie sich das Festkomitee darum bemühte, ein möglichst breites Publikum – verschiedene Zielgruppen – mit der universitären Feier anzusprechen. Während am «Tag der Wissenschaften» die akademischen Gäste auf ihre Kosten kommen sollten (wobei die meisten Veranstaltungen auch «interessierte Laien» offen standen, wenn sie sich um Teilnahmekarte bemühten), war der «Tag der Stadt», der auf den Samstag gelegt wurde, als grosses Volksfest mit Buden und Barbetrieb rund um den Petersplatz geplant. Aber selbst der «Tag der Wissenschaften» unterteilte die Teilnehmenden in weitere Untergruppen: Am Nachmittag fanden «wissenschaftliche Veranstaltungen» nach Fakultäten aufgeteilt statt. Theologen fanden sich mit Theologen, Juristen mit Juristen, Mediziner mit Medizinern zusammen usw. Am gleichen Nachmittag fanden auch «Veranstaltungen für die Damen der auswärtigen Gäste» statt, die «der Sitte der Zeit gemäss» mit eingeladen waren. Bezeichnenderweise verliert der Festbericht, der mit seinen fast 250 Seiten in Anderem sehr detailreich daher kommt, nur knappe fünf Zeilen zu diesem Anlass. Die Damen seien bei Herrn und Frau Dr. Felix Iselin-Merian an der Rittergasse und im «Kirschgarten» zu St. Elisabethen zu einem «Rendezvous mit Erfrischungen» eingeladen gewesen. Die Ehefrauen der Dozenten waren darüber hinaus mit der Übergabe zweier Wandteppiche für die Aula, an denen sie angeblich fünfeinhalb Jahre lang geknüpft hatten, in Erscheinung getreten. Die Zerlegung der Feier in einzelne «Tage» und Tagesabschnitte lässt vermuten, dass es 1960 nicht mehr so einfach war wie bei der grossen Feier von 1860, festzulegen, welche Personen die Universität «ausmachten». Möglicherweise war es einfacher, von Personengruppen, die der Universität angehörten oder mit ihr in einer spezifischen Weise verbunden waren, zu sprechen: von den Vertretern der einzelnen Fachrichtungen, von Studenten, von Studentenverbindungen, von den «Damen». In diesem Sinne waren auch die Veranstaltungen der Studentenschaft mehr noch als bei den vorangegangenen Jubiläen zu eigenen Veranstaltungen geworden. So zeigten zum Beispiel die Durchführung der Schweizerischen Hochschulmeisterschaften und besonders die gesonderten Veranstaltungen der farbentragenden Verbindungen während der Jubiläumstage, dass die Studenten bzw. die Verbindungen das «Jubiläumssemester» eigens zu zelebrieren wussten.
Nach vier Festtagen führen alle Wege zum «Unifest» Die Feier im Münster war zwar in erster Linie für die Festgäste und die Studierenden gedacht, es durften aber auch Interessierte teilnehmen, sofern sie sich rechtzeitig eine Eintrittskarte besorgt hatten. Wer in der Kirche keinen Platz mehr fand, konnte der Feier in der Martinskirche oder im Münster-Kreuzgang lauschen, wohin diese mit Lautsprechern übertragen wurde, oder sich die Radioübertragung des Senders Beromünster anhören. Aber nicht nur die überaus grosse mediale Präsenz des Jubiläums sorgte dafür, dass sehr wahrscheinlich ein Grossteil der Basler Bevölkerung über den Termin und das Programm der Universitätsfeiern informiert war. Der Festbericht hält fest, die Basler Innenstadt sei schon zehn Tage vor der Feier derart mit Girlanden, Fähnchen und Blumengewinden geschmückt gewesen sei, dass «dem letzten Mann aus dem Volke klar war, dass bald etwas los sei». Wie schon bei der Einweihung des neuen Kollegienhauses ging die universitäre Feier mit einem «Volksfest» zu Ende. In einem Sternmarsch spazierten die Basler und Baslerinnen auf das Gelände rund um den Petersplatz zu, wo sich in den Höfen und in Kellern, auf den Strassen und Plätzen und auch im Kollegiengebäude «Tausende» einfanden. Über 100 Vereine hatten mehrere «Beizen und Beizlein» organisiert, in denen allerlei Speisen und Getränke angeboten wurden und bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wurde. |
Suche
Themen
Materialien
Quellen
Literatur
|