Aluminiumskulptur von Renée Levi, Bild: Yvonne Mery

 

Expansion und erfolgreiche Etablierung. Die Gründung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Der strukturelle Ausbau der Basler Wirtschaftswissenschaften wurde auch in den 1990er und 2000er Jahren fortgesetzt. Im Rahmen derallgemeinen Spezialisierung der Wirtschaftswissenschaften wurden inBasel unter anderem die Betriebswirtschaft, die Finanzwissenschaft unddie Wirtschaftstheorie verstärkt.

Zugleich hatten die Basler Wirtschaftswissenschaften seit Mitte der 1980er Jahre einen institutionellen Konsolidierungsprozess durchlaufen. Als äusseres Zeichen dieser Entwicklung wurden auf Betreiben von René L. Frey und Silvio Borner auf 1987 alle wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühle und Einrichtungen, die bislang auf verschiedene Instituteverteilt waren, unter einem gemeinsamen Dach vereint und zum «Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum» (WWZ) zusammengefasst. Das WWZ war in der schweizerischen Universitätslandschaft ein Novum und galt schnell als modellhafte Einrichtung. Die akademischen Aktivitäten in Lehre, Forschung, Dokumentation und Vermittlung wurden hier in einer zentralen Einrichtung zusammengefasst und dadurch stärker koordiniertals im bisherigen Lehrstuhl- und Institutsmodell. Ausserdem wurden die teilweise lukrativen Aussenkontakte der Wirtschaftswissenschaftenstärker gebündelt und effizienter verwaltet als in der bisherigendezentralen Struktur. Die Basler Wirtschaftswissenschaften verfügten nun über eine einheitlichere, autonomere und gegen aussen besser sichtbare Organisationsform. Dass die Wirtschaftswissenschaften, beziehungsweise das WWZ, sich 1996 als fakultäres Departement, ein Jahr später gar als eigene Fakultät konstituierten, war vor dem Hintergrund der WWZ-Gründung nur folgerichtig.

Das WWZ umfasst auch das Schweizerische Wirtschaftsarchiv, das sich seit den 1950er Jahren nicht mehr nur als Archiv sondern zunehmend auch als Dokumentationsstelle und Spezialbibliothek profilierte. Das Wirtschaftsarchiv entwickelte sich bis in die jüngste Zeit sehr dynamisch; so wurden in den eineinhalb Jahrzehnten seit Mitte der 1990er Jahre die Archivbestände verdoppelt.

Schliesslich wurden auch die ausseruniversitären Kontakte zu Wirtschaft und Politik im Rahmen des WWZ auf eine neue Grundlage gestellt. Neu gegründet wurde das WWZ-Forum («für Projektbegleitung und Wissenstransfer»), eine dem WWZ angegliederte Dienstleistungsabteilung, die als Schnittstelle zwischen dem WWZ und der regionalen Wirtschaft agiert, den Wissenstransfer zwischen Hochschule und privaten Nutzern bündelt sowie Weiterbildungsangebote für die regionale Wirtschaft organisiert. Das WWZ-Forum finanziert sich weitgehend durch externe Mittel, das heisst durch Zuwendungen der Nutzerinnen und Nutzer der Forumsangebote. Dem Forum angegliedert ist zudem ein akademischer Alumniverein sowie ein Förderverein, in dem vor allem Vertreter der Privatwirtschaft versammelt sind und der sich unter anderem in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses engagiert. Auch wenn sich die Basler Wirtschaftswissenschaften in den letzten Jahrzehnten methodisch-theoretisch fundamental gewandelt haben, so bleibt mit der engen Vernetzung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ein zentrales Element der wirtschaftswissenschaftlichen Tradition Basels bis heute lebendig.

Expansion seit den 1980er Jahren
In den 1980er Jahren verdoppelte sich die Zahl der Studierenden im Vergleich zum vorangehenden Jahrzehnt von 450 auf 820. Dieser rasanten Entwicklung passte man die Dozierendenzahl an und weitete entsprechend das Lehrangebot in den Volks- und den Betriebswirtschaften erheblich aus. Ende 1987 hatte der Regierungsrat der Schaffung eines zweiten Lehrstuhls in den Betriebswissenschaften zugestimmt. Auch sollten die personellen Kapazitäten in den Bereichen «Geld und Finanzen» und «Informatik» ausgebaut werden. In der Folge wurde 1987 das Institut für Informatik unter der Leitung von Markus Lusti gegründet. Aufgrund von prekären Raumverhältnissen musste das damalige Informatikangebot in zwei Institutsabteilungen getrennt werden: An der Mittleren Strasse eine Informatik für Naturwissenschaften und im Rosshof ab 1988 die Abteilung Informatik für Geistes- und Sozialwissenschaften.

Das Institut für Volkswirtschaft, das am 1. Oktober 1987 entstand, war ein Zusammenschluss des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung und des Instituts für Sozialwissenschaften. Zu jener Zeit waren vier ordentliche Professoren tätig (Bernholz, Borner, Frey und Hellwig). Letztgenannter wurde 1987 Nachfolger von Gottfried Bombach und damit Ordinarius für Nationalökonomie.
Im Sommersemester 1988 setzte sich der Lehrkörper bereits aus 40 Dozierenden zusammen. Die vielen Veränderungen in personeller wie auch fachlicher Hinsicht führten schliesslich zu einer neuen Studien- und Prüfungsordnung. Es kam es zu einem klareren Aufbau desGrundstudiums und vermehrten Möglichkeiten der Schwerpunktsetzung in der Oberstufe.

In den 1990er Jahren wurde der Lehrstuhl für Bankmanagement errichtet undmit Henner Schierenbeck besetzt. Im Jahr 2001 folgte Heinz Zimmermann (Finanzmarkttheorie) einem Ruf nach Basel. In jenen Jahren stand der Ausbau des Bereichs Finance stark im Vordergrund. In diesem Rahmenwurden 2007 zwei Stiftungsprofessuren bewilligt und mit den Professoren Gantenbein (Finanzmanagement) und Kind (Corporate Finance) besetzt.

Auch die Volkswirtschaft erhielt 2001 einen wichtigen Ausbau derForschungs- und Lehrtätigkeit. Mit Yvan Lengwiler und Aleksander Berentsen wurden zwei Lehrstühle der Wirtschaftstheorie errichtet. Dieses Team wurde im Jahr 2006 mit Georg Nöldeke ergänzt.

Vom Fach zur Fakultät
Die Wirtschaftswissenschaften blieben trotz inhaltlicher und räumlicher Expanision noch immer in den Philosophisch-Naturiwssenschaftlichen Fakultät angesiedelt. Dies änderte sich erst im Jahr 1995 mit der Gründung der eigenen Fakultät; seit der Fakultätsgründung spricht man anstelle von Lehrstühlen von Abteilungen. 1988 war ein zentrales Schaltjahr für die Wirtschaftswissenschaften in Basel: Das WWZ feiert im Jahr 2008 drei 20-jährige Jubiläen: Bezug des Neubaus Rosshof und Entstehung des WWZ, Förderverein des WWZ und dieVBÖ.

Ausblick
Das WWZ steht heute erneut vor einer grösseren Reorganisation respektive einem grösseren Umzug. Die Verlagerung des gesamten WWZ undseiner Einrichtungen inklusive Bibliothek ins Jacob-Burkhardt-Haus hinter dem Bahnhof SBB ist für Anfang 2009 geplant. Ebenso die Schaffung neuer Ordinariate, die zum Teil durch Unternehmen und private Stifter finanziert werden sollen.

«Im letzten und in diesem Jahr wurden bzw. werden verschiedene Ordinate neu besetzt und neu geschaffen. Sie werden das Leistungspotenzial des WWZ in Forschung und Lehre deutlich weiter verstärken. Beachtenswert ist auch, dass einen Teil dieser Professuren durch Unternehmen oder private Stifter ermöglicht wurden. Das Leben mit den knappen staatlichen Mitteln bleibt jedoch ein drängendes Thema. Der Blick nach vorne beinhaltet auch, dass das WWZ Anfang 2009 ‹sein› Gebäude am Rosshof verlassen und in das neue Jakob Burckhard-Haus an der Peter Merianstrasse umziehen wird. Dort wird dann ein echtes Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum möglich werden, da es dort neben der Bibliothek und den Büros auch eine Reihe von Hörsälen und weiteregut geeignete Infrastruktur gibt. Die unmittelbare Nachbarschaft zur Juristischen Fakultät und zur FH Nordwestschweiz wird gute Möglichkeiten zum Austausch bringen. Ende Februar 2008 wird der langjährige Geschäftsführer des WWZForums in Pension gehen, nicht ohne zuvor an der Entwicklung und Umsetzung neuer Strukturen für das Forum (Vollintegration in das WWZ) mitgewirkt zu haben. Seit dem Neubau am Rosshof blieb das WWZ immer eine Baustelle. Das wird sich hoffentlich auch nach dem Bezug des neuen Neubaus nicht ändern: Denn ohne den Mut zur permanenten Weiterentwicklung würde das WWZ die Basis für seinen Erfolg verlieren.»

 

 

Quellen

  • Bombach, Gottfried, Basel und die Entwicklung der Nationalökonomie an den Hochschulen der Schweiz. WWZ-Studien, Nr. 14, Oktober 1989.
  • Bombach, Gottfried, Vom Staatswissenschaftlichen Seminar zum WWZ. In: uni nova Nr. 50/1988 – Mai. S. 4-5.
  • Braune-Krickau, Michael, WWZ news vom 31. Januar 2008. S. 3.
  • Frey, René L., Neue Organisation und neue Aufgaben der Basler Wirtschaftswissenschaften. In: uni nova Nr. 50/1988 – Mai. S. 7-8.
  • WWZ, Das Wirtschaftswissenschaftliche Zentrum der Universität Basel. Basel: WWZ, 1995.
  • Basler Zeitung. Nr. 55 vom 6. März 1999.
  • uni nova Nr. 50/1988.

Literatur

  • Lengwiler, Martin, Der lange Schatten der Historischen Schule. Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel, Basel 2010.
  • Bonjour, Edgar, Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart (1460-1960). Basel: Helbing und Lichtenhahn, 1960.
  • «Chronologische Entwicklung des Fachs Ökonomie in Basel», Manuskript zur Universitätsgeschichte Basel, Basel 2009.
  • Föllmi, Anton, Aus dem Leben und Denken des Basler Sozialwissenschaftlers Edgar Salin (1892-1974), Manuskript, Basel 2002.
  • Grebing, Helga (Hg.), Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, München: Olzog, 1969.
  • Honegger, Claudia et al., Konkurrierende Deutungen des Sozialen: Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft, Zürich: Chronos, 2007.
  • Jurt, Pascal, Volkswirtschaftslehre: Von der Nationalökonomie zu den «Economics», in: Honegger, Claudia et al., Konkurrierende Deutungen des Sozialen: Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft, Zürich: Chronos, 2007.
  • Kreis, Georg, Die Universität Basel, 1960-1985, Basel: Helbing & Lichtenhahn, 1986.
  • Seefried, Elke, Prognostik zwischen Boom und Krise: Die Prognos AG und ihre Zukunftsprognosen für die Entwicklung der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren, in: Jakob Vogel, Heinrich Hartmann (Hg.): «Prognosen»: Zukunftswissen und Expertise in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, Frankfurt/M.: Campus (in print).
  • Schönhärl, Korinna, Wissen und Visionen: Theorie und Politik der Ökonomen im Stefan George-Kreis. Berlin: Akademie Verlag, 2009.
  • Zehntner, Hans, Gründung und Entwicklung des Schweizerischen Wirtschaftsar-chivs in Basel 1910-1960, Schweizerisches Wirtschaftsarchiv Basel, 1960.
  • Zürcher, Markus, Unterbrochene Tradition: die Anfänge der Soziologie in der Schweiz, Zürich: Chronos, 1995.