Heinrich Barth wurde am 3. Februar 1890 in Bern geboren, wo der Vater als Kirchenhistoriker und Neutestamentler lehrte. Nach dem Besuch des Freien Gymnasiums in Bern studierte Barth zunächst in seiner Geburtsstadt Philosophie und Altphilologie. Er vertiefte seine Studien in Marburg, wo ihn die Neukantianer Hermann Cohen und Paul Natorp unterrichteten, deren Lehre Barth den zentralen Ausgangspunkt seines eigenen philosophischen Werks vermittelte. Nach weiteren Studien in Berlin kehrte Barth nach Bern zurück und promovierte 1913 mit einer erkenntnistheoretischen Arbeit zu Descartes bei der jüdischen Philosophin Anna Tumarkin, der ersten europäischen Professorin mit Prüfungsberechtigung bei Doktoraten und Habilitationen.
Bereits 1918 zog Barth nach Basel, der Geburtsstadt seines Vaters, in der er von da an bis zu seinem Tod lebte und wirkte. Er unterrichtete zunächst an der Töchterschule. 1920 habilitierte er an der Universität Basel mit einer Schrift zu Platon und nahm die Lehrtätigkeit als Privatdozent an der Universität auf. 1928 erfolgte die Ernennung zum Extraordinarius, 1942 wurde er ordentlicher Professor ad personam. Schliesslich konnte er 1950 die Nachfolge von Herman Schmalenbach als Inhaber des ersten gesetzlichen Lehrstuhls für Philosophie antreten. In diesem Amt lehrte Barth bis zu seiner Emeritierung 1960. Im Jahr vor seiner Emeritierung, 1959, verlieh ihm die Universität Bern einen Ehrendoktor im Fach seines Vaters und seiner Brüder, der Theologie. Barth starb am 22. Mai 1965 in Basel.
Getreu der Marburger Schule bemühte sich Barth in einer frühen Phase um eine eigenständige Wiederaneignung Kants. Als Frucht dieser Bemühung entstand 1927 seine erste grosse Schrift nach der Habilitation unter dem Titel Philosophie der praktischen Vernunft. Die Schrift verrät schon darin ihr Hinausgehen über die Marburger Schule, dass sie der im Neukantianismus oft vernachlässigten praktischen Philosophie Kants gewidmet ist. Im Ausgang von Kant entwickelte Barth in den Folgejahren – gewiss nicht unabhängig von den existenzphilosophischen Entwürfen seiner Zeit, aber doch bewusst auf eigenen Wegen – eine transzendentalphilosophisch angelegte Existenzphilosophie. In der weiteren Entwicklung vertiefte Barth sein Existenzdenken zu einer «Philosophie der Erscheinung», die er ab 1942 im gleichnamigen mehrbändigen Werk sowie der druckfertig hinterlassenen, posthum veröffentlichten Schrift Erkenntnis und Existenz explizierte.
Das Ereignis des Erscheinens ist nach Barth schlechthin primär. Es liegt Subjekt und Objekt des Erscheinens zugrunde. Existenz wird von daher als augenblickliches In-Erscheinung-Treten begriffen. Das je und je sich ereignende Erscheinen ist unwiederbringlich und stellt menschliche Existenz vor die konstitutive Aufgabe, das im Augenblick Gebotene zu erkennen. Barth rückt mit dem Verweis auf das Erscheinen als das Primäre unverkennbar in die Nähe der Phänomenologie, grenzte sich aber in seinem Unternehmen ausdrücklich von Husserl ab mit dem Vorwurf, dieser nivelliere das Ereignis des Erscheinens, und suchte einen eigenen Weg. Dieser Weg führte in den beiden Bänden der Philosophie der Erscheinung über die Nachverfolgung der Deutung des Erscheinens in der Philosophiegeschichte von der Antike bis in die Neuzeit. Die historische Auseinandersetzung war für Barth keine Alternative zur systematischen Behandlung des Problems, sondern wie schon in der Beschäftigung mit Kant die Grundlage zur Entfaltung des eigenen systematischen Verständnisses.
Heinrich Barth stand oft im Schatten seines vier Jahre älteren Bruders Karl, der weithin als bedeutendster Theologe des 20. Jahrhunderts gilt. Als Karl Barth 1935, durch die politischen Verhältnisse gezwungen, aus Deutschland an die Universität Basel kam, stand der Nachname des jüngeren Bruders nicht einmal mehr an der eigenen Wirkungsstätte primär für ihn selbst. Allerdings war die Bruderschaft mit dem berühmten Theologen auch ein wesentlicher Ort von Heinrich Barths Wirken. Schon die Entstehung der dialektischen Theologie um 1918 mit Karl Barths Römerbriefkommentar war massgeblich geprägt von der Vermittlung neukantianischen Denkens durch den jüngeren Bruder, der sich damals auf eine akademische Laufbahn vorbereitete – anders als Karl Barth, der unpromovierter Pfarrer in Safenwil war. Später publizierte Heinrich Barth oft in der berühmten Zeitschrift Zwischen den Zeiten, die sein Bruder mit anderen dialektischen Theologen herausgab. Er blieb immer ein wichtiger Mitstreiter für Karl Barths Theologie, mit zahlreichen Publikationen in theologischen Zeitschriften, die freilich auch seinem eigensten, vom Vater in die Wiege gelegten Interesse an den Fragen christlicher Existenz entsprachen, und sicher auch als persönlicher philosophischer Gewährsmann von Karl Barth. Vor dem Hintergrund dieser theologischen Wirkung von Heinrich Barth, der in alldem immer bewusst Philosoph blieb, lag die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät Bern nahe.