Nach einem Anfang zu suchen, mit dem alles begann, ist im Fall der
Basler Psychologie ein schwieriges Unterfangen. Die Anfänge liegen zwar
nicht im Dunkeln, aber ziemlich zerstreut. Auch sind sie nicht leicht
noch eindeutig als solche zu erkennen. Denn der Zusammenhang, in dem
sie stehen, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom heutigen
Kontext der Fachpsychologie.
Während
sich in deutschen Wissenschaftszentren die Psychologie im letzten
Viertel des 19. Jahrhunderts als eigenständige Wissenschaft etablierte,
fiel sie in Basel bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in den Fachbereich
der Philosophie. Auch das Basler Philosophische Seminar war allerdings
eine späte Gründung, die erst 1920, nach immerhin 460 Jahren
Universitätsbetrieb, realisiert werden konnte. In der vorausliegenden
Periode gehörte die Philosophie dem Pädagogischen Seminar an und als
philosophischer Unterzweig fügte sich bis zu diesem Zeitpunkt auch die
Psychologie in den institutionellen Rahmen der Basler Pädagogik.
Die Geburt der Psychologie aus philosophischem Geist
Trotz
dieser Abhängigkeiten erwarb die Psychologie schon bald ein
eigenständiges Gewicht und schlug damit durchaus im Takt der
europäischen Wissenschaftsgenese. Die zunehmende Berücksichtigung
psychologischer Fragestellungen war in Basel eng an die 1866 erfolgte
Einrichtung eines zweiten, nicht gesetzlichen Lehrstuhls für
Philosophie genknüpft. Nicht nur Pädagogik und Logik sollte der Inhaber
dieser Professur vermitteln, sondern darüber hinaus auch die
Psychologie in Lehre und Forschung vertreten.
Als erster besetzte der damals 33-jährige Wilhelm Dilthey diese Stelle.
1867 angereist, verliess er Basel allerdings bereits im folgenden
Jahr. Auch die nachrückenden Professoren liessen sich nicht für lange
auf ihrem Lehrstuhl nieder. Der aus Braunschweig stammende Philosoph
Gustav Teichmüller, der die Nachfolge Diltheys antrat, wechselte nach
zwei Jahren in das damals zum russischen Reich gehörende Dorpat, um
dort eine breitere wissenschaftliche Wirksamkeit zu entfalten, als es
ihm im akademisch recht beschaulichen Basel möglich gewesen wäre. Das
wissenschaftliche Prestige, das aufstrebende Akademiker zu dieser Zeit
in Basel erwerben konnten, war recht bescheiden - und noch mehr war es
das Gehalt. Denn infolge der Basler Kantonstrennung trug die
Universität noch immer schwer an politischen Unsicherheiten und
finanziellen Ausfällen. Die Ausstattungen der Institute blieben ebenso
wie die Studentenzahlen weit hinter deutschen Verhältnissen zurück. Aus
Deutschland liessen sich deshalb nur sehr junge Dozenten berufen, die
in der Basler Universität nicht mehr als eine Zwischenetappe hin zu
einer renommierteren Hochschule sahen.
Nietzsches gescheiterte Bewerbung
Einen Deutschen gab es,
der den neuen Lehrstuhl wohl gerne für länger besetzt hätte. Seit 1869
Professor für griechische Sprache und Literatur, bewarb sich Friedrich Nietzsche
nach nur eineinhalb Jahren gräzistischer Lehrtätigkeit für den frei
gewordenen Lehrstuhl. Obwohl er nie eigentlich Philosophie studiert
hatte, versuchte er auf diesem Weg seinen philologischen Beruf gegen
die gefühlte philosophische Berufung zu tauschen. Von der Kuratel der
Universität wurde er indes erst gar nicht in Betracht gezogen.
Stattdessen berief man 1871 den Ostfriesen Rudolf Eucken, einen Schüler
Gustav Teichmüllers, der als späterer Literaturnobelpreisträger in
weiten Kreisen bekannt wurde. Schon 1874 zog er nach Jena weiter und
auch der ihn ersetzende Max Heinze aus Leipzig verliess den
ungesetzlichen zweiten Lehrstuhl nach nur einem Jahr für einen Ruf nach
Königsberg.
Psychologen auf philosophischen Lehrstühlen
Da
es in Basel ein Anliegen war, die Philosophie auf beiden Lehrstühlen in
ihrer gesamten Breite zu vertreten und man zu dieser Breite auch die
Psychologie rechnete, fand sich immer wieder auch ein gesetzlicher
Ordinarius mit psychologischem Profil. Zu ihnen zählte Karl Groos, der
vor allem auf dem Gebiet der Entwicklungs- und Kinderpsychologie tätig
war und sich 1896, zwei Jahre vor seiner Ankunft in Basel, mit der
Monographie «Die Spiele der Tiere» in der internationalen Fachwelt
einen Namen als Psychologe erworben hatte. Spiele galten ihm als
Vorbereitung auf die Herausforderungen des späteren Lebens. Auch in
Basel blieb er diesem Forschungsfeld treu, was sich 1899, ein Jahr nach
Aufnahme seiner Lehrtätigkeit, im Erscheinen des Anschlusswerks «Die
Spiele der Menschen» niederschlug. Trotz der mit
naturwissenschaftlicher Ausrichtung betriebenen Verhaltensforschung war
Groos auch ganz Philosoph und knüpfte seine psychologischen Ansätze an
die Traditionen der deutschen Philosophie.
Nach
wie vor kam der Psychologie innerhalb der philosophischen Lehr- und
Forschungstätigkeit allerdings eine insgesamt nur marginale Bedeutung
zu und die Entwicklung zu einem eigenständigen Fach verlief auch im 20.
Jahrhundert langsam und über mehrere Zwischenstufen hinweg.