Ausbau und Konsolidierung der Wirtschaftswissenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die Basler Nationalökonomie weiter an Bedeutung. Mit Edgar Salin und Gottfried Bombach hatten zwei führende Fachvertreter die beiden Lehrstühle inne. Auch das Interesse der Studierenden am Fach wuchs. Die Folge war ein stetiger Ausbau des Studienangebots, die Konsolidierung der Fächer im Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum und schließlich 1996 die Gründung einer eigenen Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Bombach wurde 1957 als Nachfolger des zurückgetretenen Valentin Wagner nach Basel berufen. Nach dem Studium und der Promotion (1952) am Kieler Institut für Weltwirtschaft arbeitete Bombach einige Jahre bei der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) in Paris. Er besass profunde ökonometrische Kenntnisse, positionierte sich in der Nähe neoklassischer Ansätze, arbeitete aber auch zu Fragen der keynesianischen Wirtschafts- und Währungspolitik. Vor und während seiner Basler Zeit wirkte er verschiedentlich als Gutachter für die Regierung der Bundesrepublik, etwa für den Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Mit Bombach wurde in Basel zum ersten Mal ein profilierter Fürsprecher einer angelsächsisch und mathematisch orientierten Ökonomie berufen. Angesichts der stiefmütterlichen Behandlung, die die mathematische Statistik und die Betriebswirtschaft in Basel bislang erfuhr, bedeutete seine Berufung eine grundlegende Veränderung im Profil der Basler Wirtschaftswissenschaften.
Zeiten des Umbruchs Die frühen 1960er Jahre waren auch für die Nationalökonomie eine Zeit des Umbruchs. Zunächst blieb das Bedürfnis nach einer neuen wirtschaftswissenschaftlichen Stelle akut, zumal die eben geschaffene Professur faktisch ja nicht der Nationalökonomie, sondern der Soziologie zugute kam. 1961 war die Konstellation für einen weiteren Ausbau günstig. Bombach als Dekan und Salin als Rektor konnten sich in ihren Ämtern erfolgreich für ein neues wirtschaftswissenschaftliches Ordinariat stark machen. 1962 wurde schliesslich die Stelle von Popitz, kurz vor dessen Weggang, in ein soziologisches Ordinariat umgewandelt und der Nationalökonomie ein drittes Ordinariat zugestanden. Die Stelle wurde mit Jacques Stohler (1930-1969) besetzt, einem Keynesianer und Spezialisten für die europäische Wirtschaftsintegration und für verkehrswirtschaftliche Fragen. Stohler arbeitete in Basel vor allem zur schweizerischen Wirtschaftskunde und Wirtschaftspolitik; mit diesem Fokus führte er die Traditionen von Julius Landmann und Fritz Mangold vorerst erfolgreich weiter. Als zweites Umbruchsmoment kam hinzu, dass das Ordinariat von Edgar Salin, der 1962 emeritiert wurde, neu zu besetzen war. In der Tradition Salins wurde der Schwerpunkt einer «Politischen Ökonomie» beibehalten und 1965 mit K. William Kapp (1910-1976) ein Kritiker der neoklassischen Wirtschaftswissenschaften berufen. Kapp hatte seine Studien noch in Deutschland begonnen, emigrierte aber 1933 zusammen mit seiner Frau, die jüdischer Herkunft war, zunächst nach Genf und anschliessend im Gefolge der «Frankfurter Schule», in deren Umfeld er sich zunehmend positionierte, nach New York. Kapp arbeitete früh zu umwelt- und entwicklungsökonomischen Themen, an denen er die «externen Effekte» der kapitalistischen Marktwirtschaft untersuchte. Nachdem er drei Jahrzehnte in den USA gewirkt hatte, kehrte er für den Basler Lehrstuhl nach Europa zurück, wo er seine entwicklungs- und umweltökonomischen Studien fortführte.
Institutioneller Ausbau Jenseits dieser Ordinariate richtete die Universität zwei ausserordentliche Professuren im Bereich der Wirtschaftswissenschaften ein. Ab 1957 lehrte der Kantonsstatistiker Hans Guth als ausserordentlicher Professor für Statistik - die Stelle wurde 1984 unter Guths Nachfolger Peter Kugler in ein Ordinariat für Statistik und angewandte Wirtschaftsforschung umgewandelt. Weiter wurde 1964 ein Extraordinariat für Wirtschaftslehre der Unternehmungen (sprich: die Betriebswirtschaftslehre) geschaffen, das zunächst mit Otto Angehrn (1916-1992) und nach dessen Wechsel an die ETH Zürich 1965 mit Wilhelm Hill (* 1925) besetzt wurde.
Kooperationen außerhalb der Universität – Die Prognos AG Das Unternehmen war spezialisiert auf empirische Studien, die sich methodisch auf mathematisierende Ansätze der ökonometrischen Wirtschaftsforschung stützten. Viele Aufträge fielen in den Bereich der Konjunktur- und Wachstumgsprognosen, der Verkehrs-, der Forschungs- und der Bildungsplanung oder der Verwaltung der sozialen Sicherungssysteme. In einer Zeit, in der öffentliche und private Einrichtungen für ihre Aktivitäten zunehmend einer Planungsrationalität folgten, verkaufte die Prognos AG erfolgreich den dafür notwendigen wissenschaftlichen Sachverstand. In den ersten Geschäftsjahren stammte ein Grossteil der Kundschaft wie etwa die Sandoz oder die Migros aus der Schweiz. Auch die Eidgenössische Bundesverwaltung, etwa das Amt für Verkehr, liess sich in den 1960er Jahren von Prognos beraten. Doch schon von Beginn weg richtete sich das Unternehmen auch auf den deutschen Markt aus und suchte zudem den Kontakt zu den Gremien der Europäischen Gemeinschaft. Mit Erfolg: In den 1960er Jahren gehörten deutsche Grossunternehmen wie die AEG und VW zu den Auftraggebern. Auch in der Politikberatung fasste die Prognos AG erfolgreich Fuss und arbeitete etwa für den Deutschen Städtetag oder für das Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft. Der Durchbruch gelang 1965, als Prognos den ersten sogenannten «Deutschlandreport» veröffentlichte. Das Unternehmen hatte in Eigenregie, ohne konkreten Auftrag, eine integrierte Zukunftsanalyse der deutschen Gesellschaft erstellt und bot sie unter dem Titel «Die Bundesrepublik Deutschland 1980» für einen hohen Preis interessierten Käufern, vor allem privaten und öffentlichen Einrichtungen, an. In regelmässigen Abständen erneuerte Prognos die Vorhersagen und legte eine neue Auflage des Deutschlandreports auf. Das Produkt war ein grosser Erfolg und trug der Firma ein grosses und positives Medienecho ein. Prognos etablierte sich auf diese Weise als eine der besten deutschsprachigen Adressen für die quantifizierende Zukunftsforschung.
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