Laboratorium Chemie Ausschnitt

 

Erfolgreiche Emanzipation: Die Geschichte der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät

Ein Rückblick auf die Entwicklung der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät spiegelt die zunehmende Bedeutung der Naturwissenschaften in den letzten 200 Jahren wider. Zunächst  unter dem Dach der Philosophischen Fakultät, differenzierte sich der naturwissenschaftliche Fächerkanon im 19. Jahrhundert immer weiter aus. Insitutionell vollzog sich die Trennung zunächst 1896 durch eine eigene mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung. Mit dem Universitätsgesetz von 1937 entstanden dann schließlich zwei getrennte Fakultäten, die philosophisch-historische und die philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät.

Die Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Basel beginnt mit zwei Professuren. Zu den Aufgaben des Lehrstuhls für Physik gehörten bis zum 18. Jahrhundert Zoologie, Mineralogie, Metaphysik, Kosmologie und später auch Chemie. Die Mathematische Professur widmete sich Fragen der Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Die Botanik wurde bis ins 19. Jahrhundert der medizinsichen Fakultät zugeordnet. Diese frühe Phase der Basler Naturwissenschaften ist bisher noch wenig erforscht und in der Literatur kaum mehr greifbar, bis auf einzelne Namen, z.B. Heinrich Glarean oder Christian Wurstisen im mathematischen Bereich, oder Felix Platter und Caspar Bauhin in der Botanik. Diese Situation ändert sich erst an der Wende zum 18. Jahrhundert mit dem Auftreten der Familie Bernoulli auf der unviersitären Bühne.

Die verschiedenen Mitglieder der Familie Bernoulli waren von großer Bedeutung für die universitären Naturwissenschaften. Den Anfang machte Jacob Bernoulli, der von 1687 bis 1705 den Lehrstuhl für Mathematik innehatte, ihm folgte in diesem Amt zunächst sein Bruder Johann Bernoulli I. (1705-1748), dann dessen Sohn Johann Bernoulli II (1748–1790). Ein weiterer Sohn Johanns, Daniel Bernoulli war von 1740–1782 Ordinarius für Physik. Gemeinsam mit dem in Basel ausgebildeten Leonhard Euler, gehörten sie zu den führenden Mathematiker ihrer Zeit und leisteten wichtige Beiträge, beispielsweise zur Infinitesimalrechnung, zur Wahrscheinlichkeitstheorie und zur Hydrodynamik.

Auch in den naturwissenschaftlichen Fächern lassen sich am Ende des 18. Jahrhunderts deutliche Zeichen für die beginnende Krise der Universität erkennen. Die Studierendenzahlen gingen zurück und die Professur für Physik wurde nicht mehr neu besetzt. Die einsetzenden Reformdiskussionen betonten jedoch die gestiegene Bedeutung der Naturwissenschaften und forderten ihre (Re-)Etablierung und Ausweitung an der Universität.

Die Reform von 1818. Beginn mit Startschwierigkeiten
Die Startvorausetzungen für die Naturwissenschaften an der Universität Basel waren nach ihrer Reform und dem neuen Universitätsgesetz von 1818 denkbar schlecht. Bis 1860 waren kaum mehr als 15 Studierende in der Philosophischen Fakultät immatrikuliert, in manchen Jahren auch gar keine. Dies bedeutete jedoch nicht, dass es in Basel kein Interesse an naturwissenschaftlichen Themen gegeben hätte. Im Gegenteil: mit der naturforschenden Gesellschaft hatten außeruniversitäre Gelehrte ein wichtiges Forum zur städtischen Forschungsförderung gegründet. Diese betrachteten die Universität zunächst jedoch weniger als Forschungsstätte, sondern vielmehr als eine Ausbildungsstätte, die als Fortsetzung des Gymnasiums dienen sollte.

Mit Peter Merian und Chrisoph Bernoulli fanden dann Universität und Gesellschaft, sowie Forschung und Lehre zusammen. Einerseits waren beide eng mit der gesellschaftliche Naturforschung verbunden, andererseits engagierten sie sich sehr für die Reorganisation der Universität nach 1818 und übernahmen den Lehrstuhl für Naturgeschichte (Peter Merian) und Physik (Christoph Bernoulli). Sie setzten sich dafür ein, dass mit Naturgeschichte, Physik/Chemie und Mathematik eigene neue Fächer an der philosophischen Fakultät eingeführt wurden. Darüber hinaus betonten sie aber auch, dass es künftig den Universitätslehrer möglich sein sollte eigene Forschung zu betreiben. Neben der Bibliothek entstanden nun Sammlungen von Instrumenten dür Physik und Chemie, sowie eine Sammlung von Anschaungsmaterial (Versteinerungen, Mineralien und Präparaten). 

1849 erhielten Bibliothek und Sammlung, aber auch die naturwissenschaftlichen Fächer mit dem neuen «Museum» an der Augustinergasse ein eindurcksvolles neues Gebäude. Nur 25 Jahre später verließen die physikalisch/chemischen Fächer die Augustinergasse in Richtung Bernoullianum und machten damit auch räumlich ihr neues gestiegenes Selbstbewusstsein deutlich.

Die Anfänger der zwei «Abteilungen».
Spätestens in den 1840er Jahren wurde es Usus, dass sich die Professoren der Naturwissenschaften von denjenigen der übrigen Wissenschaften in der Philosophischen Fakultät getrennt trafen, um Angelegenheiten zu besprechen, welche die anderen Fakultätsmitglieder nicht unmittelbar interessierten. Daraus entwickelte sich ein Betrieb in zwei «Abteilungen», der durch das Universitätsgesetz vom 30. 6. 1866 eine gesetzliche Grundlage erhielt. Beide Abteilungen erhielten nun neue eigene Ordnungen und je einen eigenen Vorsitzenden, der den Titel «Dekan» trug.

Botanik und Zoologie, zwei Fächer, die ursprünglich zur Medizinsichen Fakultät gehörten näherten sich immer stärker der neuen Abteilung und schlossen sich ihr schließlich ganz an. Auch die Erdwissenschaften erhielten am Ende des 19. Jahrhunderts ein eigenes Insitut mit eigenen Abteilungen für Geologie, Paläontologie und Mineralogie. 1911 urde auf private Initiative hin ein Lehrstuhl für Geographie geschaffen. Die Pharamazie gehörte in Basel ebenfalls zu den Naturwissenschaften, was eine Besonderheit ind er Schweiz darstellt.

1916/1917 und wieder 1923 wurde das Verhältnis zwischen der Gesamtfakultät und den beiden Abteilungen erneut diskutiert; dabei ging es um das Promotionsrecht der Abteilungen. Dieses Anliegen wurde verklausuliert als pragmatische Vereinfachung der Doktorprüfungen dargestellt, deren Vorsitz der jeweilige Abteilungsdekan innehaben solle an der Stelle des Dekans der Gesamtfakultät - die grosse Mehrheit der Doktorate betraf ohnehin die Naturwissenschaften. Ferner wurde die Zugehörigkeit bestimmter Fächer (Philosophie, Pädagogik, Geographie) zu beiden Abteilungen diskutiert.

Die Gründung der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen-Fakultät
Mit dem Universitätsgesetz von 1937, das in seinen Grundzügen bis 1995 das Funktionieren der Universität und deren Beziehungen zu den vorgesetzten Behörden festlegte, entstand vergleichweise spät - die Nachbarn in Freiburg im Breisgau hatten diesen Schritt schon 1911 vollzogen - die Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät. Während ihre Vorläuferin «mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung» hiess, enthielt die Bezeichnung der Fakultät das Element «philosophisch», und Fächer wie Philosophie und Pädagogik, aber auch Geographie blieben zugleich in beiden Fakultäten, der historischen wie der naturwissenschaftlichen, offiziell verankert. Die neue Eigenständigkeit wurde auch in dem neuen Siegel deutlich, das größer war, als die Siegel der älteren Fakultäten und sich auch dadurch unterschied, dass es nicht mehr auf Symbole christlichen Ursprungs zurückgriff.

Fakultätsinterne «Zellteilung». Die Differenzierung des Fächerkanons 
Die Gründung einer eigenen Fakultät für die naturwissenschaftlichen Fächer beschleunigte einen Vorgang, der etwa seit der Jahrhundertwende zu beobachten ist: Die zunehmende Aus- und Binnendifferenzierung des Fächerkanons.

Aus der ‹Zellteilung› folgte eine wachsende Zahl von Lehrstühlen, aber auch ein wachsender Aufwand für deren Ausstattung, die sich in den Naturwissenschaften nicht nur in Assistentenstellen pro Professur, sondern auch in Labors und im apparativen Aufwand materialisierte. Im Einzelfall waren die Etappen des Prozesses jedoch oft kontingent: Verstarb ein Ordinarius in einem bestimmten Moment, richtete sich Strategie des aussichtsreichsten Bewerbers darauf, nicht nur dessen Ausstattung zu beerben und mit Argumenten der internationalen Konkurrenz und der Modernisierung massiv auszuweiten; sondern er verlangte auch eine Entlastung von ganzen Subdisziplinen, und so wurde, falls private Geldgeber zu helfen willig waren, aus einem Lehrstuhl zwei, und es wurden unter Umständen auch neue Institute geschaffen.