1990/91 führte Nicolas Hayek eine
Organisationsanalyse der Universität Basel durch, die im Frühjahr 1991
in Gestalt eines umfangreichen Berichts vorlag. Er griff die an der
Universität selber entwickelten Vorschläge auf und entwickelte sie
weiter. Die Empfehlungen des Berichts wurden weitgehend positiv
aufgenommen und die Reform nahm konkrete Formen an.
Die Hayek'sche Strukturanalyse leitet den Umbau ein
Hayek sammelte für seine Studie zahlreiche Daten über die Hochschule,
die zu dieser Zeit nur verstreut oder gar nicht greifbar waren. Dies
betraf die undurchsichtigen Finanzflüsse ebenso wie die
organisatorischen Abläufe, deren Schwerfälligkeit immer wieder beklagt
worden war. Er schlug ein Leitungssystem vor, das auf einem neu zu
schaffenden Universitätsrat und einem gestärkten Rektorat beruhen
sollte. Der Bericht empfahl die Rücknahme des unmittelbaren staatlichen
Einflusses auf die politischen Entscheide zur Finanzierung über ein
Globalbudget und auf die Wahl des Universitätsrats als dem
entscheidenden Bindeglied zu Politik und Gesellschaft. Die Kuratel
sollte durch den Universitätsrat ersetzt werden, der Erziehungsrat
seine Zuständigkeit für Hochschulfragen verlieren. Universitätsintern
würde die Gliederung in Fakultäten bestehen bleiben; daneben aber
schlug Hayek die Bildung von Departementen vor, die – fachlich enger
fokussiert als die Fakultäten – einander nahe stehende Fachbereiche
umfassen sollten und sich allein mit finanziell-organisatorischen
Fragen beschäftigen würden. Die Departemente stiessen in der
universitären Vernehmlassung auf den grössten Widerstand, während in
allen übrigen Fragen die Hayek-Analyse bemerkenswert positiv
aufgenommen wurde.
Der Umstand, dass die Strukturanalyse etliche an der Universität selber
entwickelte Reformideen integrierte, führte einzelne Betrachter
retrospektiv dazu, den Nutzen der Untersuchung für gering zu
veranschlagen: Was Hayek zu sagen hatte, habe man im Wesentlichen schon
selber gewusst. Diese Sicht übersieht den politischen Stellenwert des
Berichts, der unabdingbar war, um das Vertrauen des Kantons
Basel-Landschaft zu gewinnen, dass ein wirklicher Strukturwandel
vorgesehen war. Von Seiten der Stadt bekräftigte er die Bereitschaft,
die unmittelbare Kontrolle über die Universität tatsächlich aus der
Hand zu geben. Auch schuf die Analyse eine Reihe konkreter und
zusammenhängender Vorschläge, an denen weiterzuarbeiten war, um ihnen
bis 1994/95 den nötigen Feinschliff zu geben und sie implementierbar zu
machen. Die Hayek-Analyse stärkte den reformbereiten Kräften innerhalb
wie ausserhalb der Universität den Rücken, auch wenn nicht alle
Vorschläge bereits genügend ausgereift waren.
Arbeiten an der Umsetzung
In den Jahren 1992 bis 1994 arbeiteten mehrere Arbeitsgruppen das
Reformprojekt durch. Hayek hatte die allgemeine Richtung angezeigt;
gross blieb die Zahl der zu klärenden Fragen. Je nach Themenbereich
waren die Gruppen stärker von Vertretern der kantonalen Verwaltung oder
von Universitätsangehörigen dominiert. Insgesamt partizipierte die
Universität in einem bemerkenswert hohen Mass – und mit einem gewissen
Enthusiasmus – an ihrem eigenen Umbau, was sich als Ausdruck eines
staatlichen Vertrauensvorschusses verstehen lässt. Die Projektgruppen
schufen damit die Grundlagen für die Formulierung eines neuen Universitätsvertrags
zwischen den beiden Kantonen und eines neuen Universitätsgesetzes,
das an die Stelle des immer noch in Kraft befindlichen von 1937 treten
sollte.
Die Arbeit an der Reform schritt zügig voran: Differenzen oder offene
Fragen blieben angesichts eines übergreifenden Willens zum Erfolg eher
sekundär und ergaben sich am ehesten um die neuen Leitungsstrukturen
sowie um die Fragen der Mitbestimmung (die eine wichtige Rolle gespielt
hatten beim Scheitern des Universitätsgesetzes von 1980). Die
Diskussion in der Regenz lässt eine gewisse Unruhe erkennen, ob der
vorgesehene Universitätsrat ganz selbständig richtungweisende
Entscheide werde treffen können oder ob er dies nur im Einvernehmen mit
den universitären Organen tun werde. Spürbar war, dass die Regierungen
eher klare hierarchische Strukturen anstrebten.
Ansatzweise sichtbar wurde aber auch, dass keine einheitliche
Vorstellung von «Autonomie» bestand. Viele Angehörige der Universität
stellten sich diese als Erweiterung ihrer individuellen Autonomie im
Rahmen der akademischen Selbstverwaltung vor. Aus dem Blick geriet
darüber, dass eine institutionelle Autonomie mit neuen Formen der
Leitung und Kontrolle sowie einer erweiterten Rechenschaftspflicht der
Universität gegenüber der Öffentlichkeit einherging. Die betreffenden
Fragen waren in dieser Phase nicht wirklich zu klären; sie enthielten
unverkennbar ein gewisses Konfliktpotenzial für die Zukunft.
Festschreibung der Erneuerung: Leitbild, Universitätsgesetz und
Universitätsstatut
Erstmals und als Teil des sich vollziehenden
Aufbruchs
gab sich die Universität 1993 ein eigenes Leitbild, das mit einem gewissen
idealistischen Gestus übergreifende Ziele formulierte und den Anspruch
auf
einen selbst bestimmten Weg in die Zukunft zum Ausdruck brachte. Die
neuen
Leitungsstrukturen bauten auf der Kooperation zwischen dem zu
schaffenden
Universitätsrat und dem gestärkten Rektorat auf. Der Universitätsrat
sollte die
gesellschaftlichen und politischen Interessen an der Universität
repräsentieren. Die gewachsene Verwaltung – es galt zahlreiche Stellen
vom
Kanton an die Universität zu überführen – würde künftig von einem
Verwaltungsdirektor geleitet werden. Zudem war eine universitäre
Planungskommission vorgesehen.
Das Universitätsgesetz,
welches diese Organisationsstrukturen
umriss, nahm mit nur 29 Paragraphen eine weit schlankere Gestalt an als
sein
Vorläufer. Es war ein Rahmengesetz, dessen detaillierte
Ausführungsbestimmungen
in ein Statut ausgelagert waren. Die Erarbeitung des Statuts 1994/95
verlief
vergleichsweise zäh. Im Einzelnen stiessen divergente Interessen
aufeinander,
was den Umfang des Dokuments anwachsen liess. Auch verursachte die
Bestimmung
der Personalkategorien grossen Aufwand. Das Statut war daher noch
unfertig, als
die Universität Ende 1995 in die Autonomie entlassen wurde. Die letzte
Bearbeitung fiel bereits in die Kompetenz des Universitätsrats, der sich
um
Straffung und Klärung bemühte und das Statut im Frühjahr 1996
verabschiedete.
Unfertig blieb auch die Integration der Medizinischen Fakultät, die eine
Sonderstellung einnahm: einmal, weil sie durch die Verflechtung mit den
kantonalen Spitälern zugleich Dienstleistung und Beiträge zu Lehre und
Forschung erbrachte; dann aber auch, weil sie nicht dem Erziehungs-,
sondern
dem Sanitätsdepartement unterstellt war. Schwierigkeiten machte zudem
die
Verbindung zur regionalen Gesundheitspolitik, die es immer noch an der
nötigen
Koordination zwischen den beiden betroffenen Kantonen fehlen liess.
Trotz
langer Bemühungen blieb es daher vorläufig bei provisorischen Lösungen.
Politische Einigungsprozesse Parallel zu diesen Arbeiten nahmen der politische Einigungsprozess
zwischen den Kantonen und die Vorbereitung der parlamentarischen
Vorlagen einen zügigen Verlauf. Der Umfang der von Baselland zusätzlich
einzubringenden Mittel für die Universität war schon Ende 1991 im
groben Umriss benannt worden: Es ging um ungefähr 30 Millionen, was den
Gesamtaufwand des Kantons für die Universität nahezu verdoppelte,
Baselland aber vorläufig in der Position einer ausgebauten
Minderheitsbeteiligung beliess. Erleichtert und beschleunigt wurde die
parlamentarische Bewilligung durch den frühen Einbezug der zuständigen
Kommissionen, die sich auch untereinander ins Einvernehmen setzten.
Differenzen entstanden weniger zwischen den Kantonen als innerhalb der
städtischen Politik, nachdem die Mitglieder des Grossen Rats
realisierten, dass die Regierung die Ernennung des Universitätsrats in
der eigenen Hand zu halten gedachte respektive diese Zuständigkeit nur
mit der Regierung von Baselland zu teilen bereit war.
Nachdem im Frühjahr 1994 der Universitätsvertrag von den Regierungen
unterschrieben war, verblieb den Parlamenten nur noch, ihn zu
akzeptieren, wie er war, oder ihn abzulehnen. Die weitgehende
Ausschaltung der parlamentarischen Mitwirkung an der immer notwendiger
werdenden interkantonalen Gesetzgebung weckte Unmut, war jedoch nur das
konsequente Resultat der kleinräumigen politischen Zerstückelung in
einer immer mehr zusammenwachsenden Region. Die Suche nach einer
partiellen Wiederherstellung parlamentarischer Einwirkungsmöglichkeiten
sollte auch später gegenüber der autonomen Universität immer wieder
eine Rolle spielen. Alles in Allem bestand jedoch ein hoher Konsens,
die Universitätsreform erfolgreich durchzuziehen; die in Baselland
erwartete – und gelegentlich befürchtete – Volksabstimmung erwies sich
als unnötig.
Die Jahre des institutionellen Umbaus waren belastet durch einen noch
zunehmenden finanziellen Druck, da die Rezession der frühen 1990er
Jahre rekordhohe Defizite der staatlichen Haushalte zur Folge hatte. Ab
1987 hatte Basel-Stadt temporär gewisse zusätzliche Leistungen zur
Schaffung neuer - und dringend benötigter - Stellen an der Universität
erbracht. Ab 1992 fiel dies dahin; neue Sparauflagen verdüsterten die
Aussichten und liessen die verstärkte finanzielle Beteiligung des
Kantons Basel-Landschaft nur umso dringlicher erscheinen. Zugleich nahm
die Zahl der Studierenden, die in den 1980er Jahren nur noch langsam
gewachsen war, plötzlich wieder markant zu. In den Wachstumsbereichen
(so im Fach Psychologie) verschlechterten sich die
Betreuungsverhältnisse teilweise dramatisch.
Güntherodt, Hans-Joachim: Der Schritt in die Autonomie.
Chance und Verpflichtung für die Universität Basel, Basler
Universitätsreden 91. Heft, Basel 1995.
Frey, René L.:
Universitäten im Aufbruch. Volkswirtschaftliche Analyse der
gegenwärtigen Reform, Basler Universitätsreden 93. Heft, Basel 1997.
Gäbler, Ulrich: Die Basler Universität im Wandel. Ein Zustandsbericht, Basler Universitätsreden, 99. Heft, Basel 2001.
Literatur
Mario König: In eigener Sache. Die Universität Basel unterwegs zu
Autonomie und neuer Trägerschaft 1985-2010, Liestal 2010. Kurzfassung