War die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts durch eine gewisse internationale Ausstrahlung und intellektuelle Offenheit geprägt, so verschoben sich im 17. Jahrhundert die Akzente: Es kam zu einer stärkeren Regionalisierung oder gar Familiarisierung und zugleich verstärkten sich die Spannungen zwischen der Universität und der städtisch-absolutistischen Obrigkeit.
Damit war die Entwicklung im 17. Jahrhundert von einer merkwürdigen Ungleichzeitigkeit oder gar Gegenläufigkeit der Entwicklungen geprägt: Angehörige führender Bürgerfamilien spielten in der Universität eine immer wichtigere Rolle und gleichzeitig verstärkte die städtische Obrigkeit, deren Mitglieder den gleichen Bürgerfamilien angehörten wie die Professoren, den Druck immer weiter, die Universität (und damit auch ihre zum Teil engen Verwandten) endgültig in den absolutistisch-obrigkeitlichen Staat einzugliedern, ihre Sonderrechte und Privilegien aufzuheben und die Professorenschaft in ihrem Status nicht nur in die städtische Gesellschaft zu integrieren, sondern auch protokollarisch nachzuordnen.
Die «Familienuniversität» und die städtische Elite
Von den 75 Professoren, die in Basel zwischen 1529 und 1600 lehrten, kamen Dreiviertel aus Süddeutschland und dem Elsass, aus anderen Gebieten der Schweiz, aber auch aus Frankreich, Italien und Holland; nur ein Viertel waren Basler. Dagegen entwickelten sich im 17. Jahrhundert eigentliche Gelehrtendynastien. Von den 80 Professoren, die in Basel zwischen 1600 und 1700 lehrten, gehörten ca. 60 Prozent einem Kreis von fünfzehn Basler Familien an: unter ihnen die Burckhardt, Faesch, Buxtorf, Bauhin, Beck, Platter, Wettstein, Wolleb und Zwinger. Diese Entwicklung setzte sich im 18. Jahrhundert, wenn auch in abgeschwächter Form fort. Zudem verbanden sich die Professoren untereinander durch Heirat auch familiär.
Oft kamen - wie die Namen zeigen - die Professoren aus den gleichen Familien, die auch die wichtigsten städtischen Amtsinhaber stellten. Seit der Reformation bis 1737 war das Oberhaupt der Basler Kirche, der Antistes, immer zugleich auch Professor der Theologie und die gesamte Pfarrerschaft war der theologischen Fakultät unterstellt, der bis zum Ende des 17. Jahrhunderts neben den beiden Theologieprofessoren auch die vier Hauptpfarrer (Münster, St. Peter, St. Leonhard, St. Theodor) angehörten.
Die familiären, sozialen und politischen Beziehungen zwischen Universität und städtischer Elite müssen demnach spätestens seit dem 17. Jahrhundert als ausgesprochen eng bezeichnet werde. Der Gegensatz zwischen Stadt und Universität war damit auf der politischen Ebene vor allem ein institutionell- juristischer, viel weniger einer unterschiedlicher sozialer Herkunftsmilieus, getrennter Lebenswelten oder völlig unvereinbarer kultureller Codes.
Dagegen scheint der zunehmende Integrationsdruck der absolutistisch orientierten städtischen Obrigkeit auf alle soziale Gruppen eine erhebliche Rolle gespielt zu haben, wurde es so doch immer unattraktiver den Universitätsangehörigen im Unterschied zu anderen Gruppen wie etwa den Handwerkern oder Kaufleuten – Sonderrechte einzuräumen. Zugleich konnte die protokollarische Hintanstellung der Universität etwa in Begräbnisprozessionen für die (Handwerks-)Zünfte durchaus auch als Kompensationsangebot für den Statusverlust interpretiert werden, den die Kaufherren im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts den Handwerkern zumuteten.
Der Streit um die Privilegierung der Universität
Mit der Reformation war die Universität der reformierten Obrigkeit in
den Statuten von 1532 und 1539 unterstellt worden. Diese Statuten
nahmen keinen Bezug mehr auf die päpstlichen Privilegien und den
Freiheitsbrief von 1460. Die Universität ihrerseits hatte aber während
des gesamten 16. Jahrhunderts an dieser Privilegierung festgehalten.
1599 unternahm Rektor Johann Jakob Grynäus, Theologieprofessor und Antistes,
einen erneuten Anlauf, die alten Privilegien zurück zu bekommen und
eine völlig unabhängige Jurisdiktion zu erreichen. Anscheinend hatten
auswärtige Studierende darüber geklagt, dass die Basler Universität
weniger unabhängig war als andere. Aber auch der Vorstoss des Antistes
und Rekotrs Grynäus blieb ohne Erfolg. Er verwies vielmehr deutlich auf
das problematische Verhältnis von Universität und Obrigkeit im
zunehmend orthodox und absolutistisch organisierten reformierten
Staatswesen.
Während des Dreissigjährigen Krieges wurde 1634 eine ausserordentliche Steuer erhoben, die auch die Universitätsangehörigen entrichten sollten. Sie wehrten sich gegen diese Abgabe unter Berufung auf ihre 1460 garantierte Steuer- und Zollfreiheit und die Tatsache, dass sie als akademische Bürger nicht im Rat vertreten waren. – allerdings ohne Erfolg.
Schon 1637 kam es zu neuen Auseinandersetzungen: Der Rat setzte mit dem sogenannten Reformationskollegium eine neue Behörde zur Sittenkontrolle ein, der auch die akademischen Bürger unterstellt werden sollten. Diesmal gelang es dem Rektor Remigius Faesch, Jurist und Sohn des Bürgermeisters Johann Rudolf Faesch die Unterstellung zunächst abzuwenden. Aber schon drei Jahre später, 1640, brachen die Konflikte erneut auf.
«Umb diese Zeit hatte die Universität mit den Politicis Schwürigkeiten. Waren mächtig widereinander»
Nun wurden die Professoren ermahnt, sich an die Kleiderordnung zu halten, «nicht aber in langen allamodo hosen, Mäntlen, und breiten hüetten auffziehen.» 1651 wurde auch bei den Universitätsangehörigen das Fleischumgeld erhoben, von dessen Bezahlung sie durch den Freiheitsbrief befreit waren. Die Regenz protestierte mit Hinweis auf deutsche Universitäten, die nach dem Westfälischen Frieden in ihren Rechten restauriert wurden und zur Konkurrenz für Basel zu werden drohten, verlor aber 1653 die Auseinandersetzung.
In den nächsten Jahren dominierten vor allem Konflikte um die Jurisdiktion. Zu einer weiteren Eskalation kam es schon 1656 wegen Theodor Wolleb, dem Professor der griechischen Sprache und Pfarrer von St. Martin. Der Rat wollte ein Exempel statuieren und sein Verbot, geistliche und akademische Ämter gleichzeitig zu besetzen, für alle ausser den Antistes durchsetzen. Er erklärte daher überraschend explizit und unter Berufung auf die Statuten von 1532, dass die alten Privilegien von 1460 bereits damals aufgehoben worden seien.
«nicht als Nachfolger der Papisten»
Trotzdem setzte sich die Universität weiterhin zur Wehr und beauftragte im Rektoratsjahr von Antistes Lukas Gernler, 1659/60, den Dekan der Theologen, Johann Rudolf Wettsein, seinem Vater dem Bürgermeister, ein neues Memoriale zu unterbreiten. Entsprechend war das Jubiläumsjahr, das damals zum ersten Mal gefeiert worden ist, durch Auseinandersetzungen belastet. Denn auch Wettstein gelang es nicht, den Konflikt beilegen zu lassen. Schliesslich eskalierte die Auseinandersetzung 1668, die Ratsdeputierten ermahnten die Akademiker, sich nicht als Nachfolger der Papisten zu fühlen, sondern vielmehr die Statuen von 1532 zu befolgen. Die Universität beharrte nochmals darauf, dass ihre Privilegien von 1460 nach wie vor gültig seien. Sie erreichte damit allerdings nur, dass ihr bei Strafe verboten wurde, ihre alten Privilegien jeweils in Abschrift den neugewählten Häuptern und Deputaten zu übereichen.
So kam es schliesslich zur Einführung eines neuen Treueeides für die akademischen Bürger im Jahr 1671, die Universität war damit endgültig in das rechtlich-politische Gefüge es absolutistisch geprägten Staates eingeordnet.
Loyalität und Kritik
Trotz aller Auseinandersetzungen um Autonomie bzw. Privilegierung der Universität und Rangfolgen und Präzedenzen innerhalb der Professorenschaft, aber auchzwischen Professoren und Bürgern waren die Universitätsangehörigen in den politischen Krisen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgesprochen loyal und obrigkeitstreu.
Während des Bauernkrieges von 1653 blieben sämtliche auswärtige Studenten in der Stadt, um für die Freiheit und das Heil der Stadt einzutreten. Nach der blutigen Niederschlagung der Rebellion hielt der Königsberger Doktor der Rechte, Theodor Wolder, eine entsprechende feierliche Rede und im Jahr darauf gab es eine Magisterpromotion zum Thema «De scelestissimo Rebellionis crimine».
Und auch während der grössten Krise der städtischen Gesellschaft, den Unruhen von 1691, standen die Universitätsangehörigen mehrheitlich auf der Seite des alten Regiments. Vereinzelt gab es aber auch in und an der Universität Kritik. In einem Memoriale formulierte der Mathematiker Jakob Bernoulli, der damals bedeutendste Gelehrte der Basler Universität, seine Bedenken in zwanzig Punkten. Sie betrafen das Wahlfverfahren der Professoren ebenso wie das System der Lehrstühle in der Artistenfakultät und die damit eng verbundenen Fragen der Rangfolge und des inneruniversitären Aufstiegs. Hinter seiner Kritik scheinen Vorstellungen von einer neuen Form von Universität aufzuscheinen. Bernoulli musste der Regenz gegenüber Abbitte leisten, wurde aber später ohne Probleme Dekan und auch Rektor.