Karrikatur 1818, StaBS, Bild 13, 138

 

Regeneration und Rekonstitution der Universität Basel (1818–1848)

Als in Basel die Frage der Universitätsschliessung öffentlich debattiert wurde, neigte sich die europäische Universitätskrise schon ihrem Ende zu. So konnte die Basler Reformkommission, wenn auch mit fünfjähriger Verspätung, ein umso überzeugenderes und dauerhaftes Konzept ausarbeiten.

Mit Gesetz vom 15. Juni 1818 wurde die Basler Universität definitiv ein Zweig des kantonalen Erziehungswesens und damit Teil der Staatsverwaltung. Sie unterstand künftig, wie alle übrigen Schulen, einem Erziehungsrat von 16 Mitgliedern, worin die Universität durch ihren jeweiligen Rektor und drei Professoren vertreten war. Die sogenannte Kuratel, ein Ausschuss bestehend aus dem Ratspräsidenten und zwei Erziehungsräten, beaufsichtige fortlaufend speziell die Universität und ihren Studienbetrieb und hatte auch auf die Verwaltung des Universitätsvermögens einen gewissen Einfluss. Die Wahl der Professoren erfolgte nicht mehr durch die Regenz, sondern durch den kleinen Rat auf Vorschlag des Erziehungsrates, also durch die politische Behörde.

Die Lehrverpflichtung der Professoren wurde erhöht, der Urlaub vermindert und die Besoldung angehoben und einheitlich geregelt. Fast unversehrt blieb dagegen die alte akademische Struktur der Universität erhalten. Die Regenz, welcher alle ordentlichen Professoren angehörten, übte weiterhin die Jurisdiktion über die Studenten, beaufsichtigte die Subsidiäranstalten, verwaltete die Fonds und vergab die Stipendien. Die Fakultäten wurden z.T. modernisiert (so etwa die Juristische Fakultät, die neue Fächer erhielt) und die Philosophische Fakultät wurde den übrigen drei Fakultäten gleichgestellt. Auch richtete man dort acht teilweise neue Lehrstühle ein, die insbesondere die neuen Sprachen (bzw. deutsche und französische Literatur), Geographie, Physik und Chemie und die Statistik umfassten - all dies in der Hoffnung, „dass bey glücklichem Fortgang der Anstalt der fleißige, mit Talenten begabte Jüngling sich hier alle nöthige Kenntnis werde erwerben können, um in der Theologie, in der Jurisprudenz und in der Philosophie mit Recht und Ehre den Doctorgrad zu erhalten, oder doch wenigstens, wenn er nach einem ganz hohen Grade wissenschaftlicher Ausbildung strebt, so vorbereitet, eines kürzeren Aufenthaltes an einer großen Universität zu bedürfen", wie es im Gutachten der Universitäs-Commission heisst.

Doch blieb dies zunächst ein allzu optimistischer Wunsch. Zwar begannen sich die Theologische, die Philosophische und die Medizinische Fakultät - unterstützt u.a. durch politische Flüchtlinge aus Deutschland, wie den klassischen Philologen Franz D. Gerlach (1793-1876), den Historiker Friedrich Kortüm (1788-1858) oder den Theologen Wilhelm de Wette (1780-1849), der später auch als Rektor amtete - langsam zu regenierieren und an Ansehen zu gewinnen; auch das neuhumanistische Wissenschaftsideal hielt mit diesen Personen Einzug in Basel. Doch die Juristische Fakultät lag weiterhin darnieder. Auch ein breiterer Studentenstrom setzte vorerst nicht ein. Immerhin gewann die Universität innerhalb des Basler Bürgertums in den 1820er Jahren an Rückhalt, nicht zuletzt durch die populären öffentlichen Vorlesungen, die praktisch alle Hochschullehrer nach und nach anboten und zu denen sich insbesondere auch Frauen aus der Basler Oberschicht als interessierte Laien einfanden.

Es fehlte aber weiterhin nicht an kritischen Stimmen gegen die kostspielige Basler Klein-Universität, doch kam die entscheidende Feuerprobe für Bürgerschaft und Universität erst mit der Kantonstrennung 1831-33. Die Universität, d.h. Studentenschaft wie Professoren standen mit wenigen Ausnahmen (wie etwa den „radikalen" Demokraten Troxler oder Snell, die sich auf die Seite der Landschaft schlugen) auf Seiten der Stadt Basel und waren sogar bereit, diese Parteinahme mit der Waffe in der Hand zu demonstrieren - wohl auch, weil sie den Eindruck hatten, die Landschäftler seien gegenüber der höheren Bildung voreingenommen und würden sich gegen die Universität stellen, d.h. für ihre Aufhebung plädieren.
Bei der erfolgten Kantonstrennung schliesslich geriet auch das Universitätsgut in die allgemeine Teilungsmasse, da das eidgenössische Schiedsgericht mit knapper Mehrheit eine solche Perspektive - gegen das Votum der Stadt und der Regenz - befürwortete. Hiergegen zogen Stadt wie auch Universität mit allen (Rechts-)Mitteln zu Felde, doch es nützte insgesamt wenig: Das Endurteil vom 6. August 1834 lautete dahin, die Universität werde nicht real geteilt, sondern es sei „das gesamte Universitätsgut mit Nutzen und Beschwerden und unter der Verpflichtung, es seiner Bestimmung treu zu erhalten, dem Kanton Baselstadt allein und ausschliesslich zugeteilt". Die Stadt musste die Universität aber mit der erheblichen Summe von 331 451 Franken auskaufen.

Dies stellte, neben anderen durch die Kantonstrennung der Stadt aufgebürdeten oder von ihr in Kauf genommene Lasten, eine erhebliche Bewährungsprobe dar. War die Universität tatsächlich wert, unter diesen Umständen erhalten zu werden? Und wie sollte sie künftig finanziert werden, wenn schon ihr Erhalt die Stadt solche erheblichen Summen kostete, so lautete die in der Bürgerschaft heftig diskutierte Frage. Immerhin hatte die Universität als Institution zwischenzeitlich so sehr an Ansehen gewonnen, dass massgebliche Fürsprecher für sie auftraten, u.a. die Ratsherren Andreas Heusler und Christoph Burckhardt-Hesse, der Pfarrer Johann Jakob Bischoff und die Professoren Peter Merian und Wilhelm de Wette, die als Erziehungskollegium einen entsprechenden Reformvorschlag ausarbeiteten.
Dieser wurde bereits am 2.März 1835 dem Grossen Rat zur Debatte vorgelegt und schon Anfang April dort auch angenommen. Der Vorschlag lautete, die Universität zwar zu „verschlanken", einige Professuren abzuschaffen und deren Inhalte vermehrt über Lektoren und kostenlos Lehrende aus der Bürgerschaft vermitteln zu lassen, aber sie insgesamt zu erhalten, um damit eine Grundausbildung für die Basler Studierenden und jungen Bürgersöhne zu sichern, die sich dann an auswärtigen Universitäten fortbilden und ihre Abschlüsse erwerben sollten. Auch sollten die Gehälter der Professoren niedrig gehalten sein, wobei es diesen frei stünde, sich durch angemessene Nebentätigkeiten Zusatzverdienste zu sichern.
Mit ihren Vorschlägen erhoffte sich die Kommission, eine Einsparung von etwa 15 % der bisherigen Kosten erzielen zu können, womit den Anforderungen der damaligen Finanzlage einigermassen Rechnung getragen würde - und sicherten ihrem Vorschlag somit tatsächlich eine breite Zustimmung im Rat. Die Korporation der Unversitätsbürger erhielt mit Gesetz vom 6. April 1836 als sechzehnte Wahlzunft der Stadt eine mit der Einrichtung der übrigen Zünfte übereinstimmende Regelung - und eine Regelung, die einen Rest korporativer Selbständigkeit erhielt bzw. wieder neu in die Universitätsverfassung einführte und damit den bis dahin ebenso traditionsbewussten wie auf akademische Freiheit pochenden Charakter der Universität Basel und ihrer Träger, der Basler Bürgerschaft erhielt und fortschrieb.